
DANIEL NERLICH: Implement ist eine Beratung mit skandinavischen Wurzeln – woran kann man das im täglichen Arbeiten spüren?
NINA MÖLLER: Streng genommen muss man ja bei Implement von dänischen Wurzeln sprechen. Früher habe ich immer von den „Skandinaviern“ gesprochen, da hat meine schwedische Kollegin empört gesagt: „Wirf uns ja nicht mit den Dänen in eine Kiste, denn bei vielen Themen sind wir Euch Deutschen näher, als ihr denkt“!
Also, wir bei Implement haben sehr flache Hierarchien, bei uns stehen die Titel oder Levels nicht im Vordergrund. Ich weiß von vielen Kolleginnen und Kollegen in anderen Offices oft überhaupt nicht, auf welchem Level sie sich befinden. Das ist dann für mich „der Jakob“ oder „die Maria“. Die Person steht im Mittelpunkt. „Leadership is an activity, not a rank“, das leben wir.
Dann gibt es diesen enormen Vertrauensvorschuss bei uns: Man muss sich das Vertrauen nicht erst hart erarbeiten, es ist von Beginn an vorhanden. Man will die Person kennenlernen – sei es der Kunde, sei es ein Bewerber, sei es die Kollegin.
Letztlich fällt es mir aber schwer zu sagen, ob es nun das Dänische ist oder ob es einfach Implement ist.
DANIEL NERLICH: Auf Ihren Karriereseiten sprechen Sie von wenigen Vorgaben und Regeln für die Teammitglieder. Wie funktioniert Ihr Miteinander? Wo stoßen Sie vielleicht auch einmal an die Grenzen der Freiheit?
NINA MÖLLER: Wir haben dieses Mantra: „Find your own way and be an activist“. Und das ist wirklich nicht nur ein Slogan auf unserer Website. Unser CEO hat Implement mit dem Spirit gegründet, dass der Mensch im Fokus steht – das gilt sowohl für unsere Kunden, aber auch für uns intern. Wir können schließlich nicht die smartesten Menschen rekrutieren und sie dann in ein Korsett von Handbüchern und Regeln stecken. Mit dem Anspruch, den wir an unsere Mitarbeitenden haben, müssen wir ihnen den Freiraum geben, ihre Expertise freizusetzen. Wir können uns nur entfalten, wenn wir einen gewissen Autonomiegrad haben.
Gleichzeitig haben wir ein klar abgestecktes Spielfeld: Wir machen zum Beispiel einige Kennzahlen global transparent. Ich weiß beispielsweise, was meine dänische Partner-Kollegin oder mein schwedischer Partner-Kollege verkauft. Für alles andere gilt: „Find your own way“!
Mich hat sehr die Aussage unseres CEO inspiriert: „Warum soll man alle einzwängen, wenn es nur vereinzelte Mitarbeitende gibt, die ein engeres Regelwerk benötigen. Warum sich nicht mit diesen Mitarbeitenden intensiver beschäftigen und die anderen sich entfalten lassen?“.
DANIEL NERLICH: Weltweit stehen Sie mittlerweile für 1.400 Beraterinnen und Berater. Wie konnten Sie in den vergangenen Jahren wachsen?
NINA MÖLLER: Die Gründer von Implement waren allesamt zuvor schon als Berater tätig, sie wollten aber mehr. Sie waren besessen – und wir als gesamtes Team sind nach wie vor davon besessen – zu verstehen, wie man Impact kreiert. Unabhängig davon, ob es eine digitale Transformation ist, ein Strategy-, Supply-Chain- oder Leadership-Development-Thema ist: Schlussendlich wird die Veränderung über den Menschen getrieben.

Und dieses Konzept spricht viele an. Seien es ehemalige Berater oder Berater aus anderen Häusern oder auch Kunden, die mal etwas Neues ausprobieren wollen. Letztens meinte ein Kunde zu mir: „Frau Möller, Implement – da ist der Name Programm. Bei ihnen klappt das am Ende auch!“. Ich glaube, das führte zu diesem Wachstum.
Und wenn jemand die Frage aufwirft, ob wir nicht in den USA ein Office eröffnen sollten, dann gibt es nicht den 100-Tage-Plan. Es wird gefragt, ob man denn Kunden und mögliche Teamkollegen hat. Und wenn das der Fall ist, heißt es: „Ok, los geht‘s!“.
DANIEL NERLICH: „Discover the Power of AND“ – was steckt hinter diesem Motto?
NINA MÖLLER: Hinter dem Motto steht, dass wir uns selbst und auch unseren Kunden bewusster machen, dass wir in einem Zeitalter voller Paradoxien leben. In Zeiten von Pandemien, Digitalisierung, Unruhen bis hin zu Kriegen ist es nicht mehr zeitgemäß, heute entscheiden zu wollen, was in 5 Jahren sein könnte.

Wie können wir uns alle diese Spannungsfelder in der Supply Chain, in der Unternehmensführung und im gesamten Unternehmen bewusst machen? Wie gehen wir dann damit um? Wie hantiere ich in diesem Zeitalter von Paradoxien zwischen dem klassischen „perform and transform“? Als CEO muss man kurzfristig Aktionen in die Wege leiten, damit die Güter von China nach Europa gelangen, man darf aber zugleich nicht aus dem Auge verlieren, wo es mit der Firma langfristig hingeht, zum Beispiel in Bezug auf Nachhaltigkeit. Und in diesem Kontext sind wir für unsere Kunden da, diese Themen zu verbinden.
DANIEL NERLICH: Transformation ist heute immer und überall. Was ist Ihr spezielles Service Offering, das Sie von Ihren Mitbewerbern unterscheidet?
NINA MÖLLER: Ja, das Thema USP (unique selling proposition) in der Beratung ist immer spannend. Für uns hat sich ganz klar herauskristallisiert: Transformationen werden von Menschen vorangetrieben. Das sind nicht die FTEs, Ressourcen und Stakeholder, sondern da sind Menschen dahinter. Wir beschäftigen uns intensiv damit herauszuarbeiten: „What’s in the transformation for the client?“. Wir versuchen, dadurch Transformation, bis hin zur Selbsttransformation von Führungskräften, voranzutreiben. Bei uns ist jede Beraterin und jeder Berater immer auch ein Change Agent – uns geht es stets um nachhaltige Transformation.
DANIEL NERLICH: Sie selbst haben vor Implement Erfahrungen in Managementberatungen sammeln können. Was führte Sie zu Implement?
NINA MÖLLER: Ich bin über einige Umwege zu Implement gestoßen. Als Implement ursprünglich über den Kauf von Teams oder kleinen Unternehmen in den deutschen Markt einsteigen wollte, war ich damals Teil von Gesprächen. Aufgrund von lessons learned in anderen Märkten kam Implement jedoch zu dem Schluss, dass man die Markteroberung im Sinne der Kultur evolutionär über einen Green-Field-Ansatz machen sollte.

Schließlich wurde ich erneut als Einzelperson angesprochen. Und dann gehst du da in Hellerup (Dänemark) in dieses Headquarter herein, triffst diese Leute dort und denkst Dir: „Irgendwie sind die anders“. Ich fühlte mich extrem positiv durch den hohen Autonomie-Grad und die Vision angesprochen, als Newcomer in den zweitgrößten Beratungsmarkt der Welt einzusteigen, wo es bereits wahnsinnig viele Beratungen am Platz gibt. In meinen vorherigen Aufgaben hatte ich bereits Teams und Strukturen aufbauen können – Aufbau und Skalierung ist sicherlich tief in mir verwurzelt. Das war schließlich in Summe der Grund, weshalb ich bei Implement einsteigen musste!
DANIEL NERLICH: Sie sind seit knapp 5 Jahren bei Implement an Bord und waren damals eine der ersten Mitarbeitenden am neuen Standort München. Wie kann man sich Ihren Auf- und Ausbau der vergangenen Jahre vorstellen.
NINA MÖLLER: Die ersten Monate waren sicher hands-on, jeder packte an. Wir waren ein Team aus drei Kollegen, die zuvor bereits in Dänemark bei Implement tätig waren, sowie drei Kollegen, die von anderen Beratungen gekommen waren. Es war also ein guter Mix vorhanden. Wir wollten etwas Neues schaffen, wir hatten richtig Lust, hier in Deutschland etwas aufzubauen.
Für uns war ein erster Meilenstein erreicht, als wir das Team auf zehn Personen ausgebaut hatten, denn damit waren schon wieder ein paar weitere Personen an Bord, die irgendwen in Deutschland kannten und Geschäft ausbauen konnten. Dann ging es darum, offen zu sein für passionierte Menschen, die natürlich als Grundbasis ein hohes Qualitätsniveau und eine Passion für das Consulting mitbrachten.
DANIEL NERLICH: Seit 9 Monaten tragen Sie die Verantwortung als Managing Director Germany. Mit welchem Mandat, mit welcher Story treten Sie an? Welche Vision & Mission verfolgen Sie?
NINA MÖLLER: Zunächst einmal geht es darum, weiter nachhaltig zu wachsen. Wir haben jetzt drei Büros in München, Hamburg und Düsseldorf mit mehr als 70 Kollegen. Wir haben aber auch Kolleginnen und Kollegen jenseits dieser Standorte. „Being the best place for the best people“, das ist unser Ziel. Wir wollen kein Durchlauferhitzer sein.

Außerdem geht es nach wie vor darum, Neues zu machen – also weitere Kundenreferenzen zu generieren. Wir möchten zunehmend Gehör finden in Deutschland. Schließlich bin ich auch dafür angetreten, neue Kolleginnen und Kollegen, die aus anderen Beratungen zu uns finden, dabei zu unterstützen, unseren hohen Grad an Autonomie mit Leben zu füllen. Nicht jeder kennt das vielleicht und kann sofort damit umgehen.
DANIEL NERLICH: Der Marktauftritt von Implement ist frisch, dynamisch und sympathisch – man gewinnt den Eindruck, dass man Ihr Haus „gernhaben muss“. Ist das aus Ihrer Sicht die richtige Beschreibung?
NINA MÖLLER: Die von Ihnen genannten Adjektive hört man natürlich immer gern im Zusammenhang mit der eigenen Firma! Insbesondere dann, wenn wir als eine Beratung wahrgenommen würden, die frische, neue Akzente setzt.

Ob wir gerngehabt werden wollen? Da bin ich mir gar nicht so sicher, denn als Beraterinnen und Berater kommen wir immer auch mit einem Challenger Mindset zu unseren Kunden. Wir spiegeln den Kunden sehr wohl auch Unbequemes – aber auf eine empathische, zuhörende und lernende Art und Weise.
DANIEL NERLICH: Als Expertin für Transformation: Welchen Tipp geben Sie Beraterinnen und Beratern für den sich wandelnden Beratungsmarkt?
NINA MÖLLER: Neugierig bleiben! Wenn man die Karriereleiter in der Unternehmensberatung hochklettert, entsteht ja hin und wieder die Tendenz zum „I know it all“: Ich fliege herein, teile meinen guten Ratschlag aus und gehe wieder.
Ich bin überzeugt, dass es in dem sich wandelnden Beratungsmarkt umso mehr darauf ankommt, aktiv zuzuhören, zu führen und zu adaptieren. Aufgrund der vorhin schon angesprochenen Paradoxien wird es schwer sein, immer die richtige Antwort zu haben.
DANIEL NERLICH: Welche Profile sucht die Implement Consulting Group in den kommenden 12 Monaten?
NINA MÖLLER: Wir haben bei uns nicht den üblichen Ansatz, sich auf eine spezifische Stellenausschreibung zu bewerben. Wir suchen Personen, die sich darauf einlassen, für eine in Deutschland unbekannte Marke zu arbeiten. Menschen, die Lust haben das Wachstum einer Unternehmensberatung mit starker internationaler Plattform in Deutschland mitzugestalten. Was die fachliche Ausrichtung von Profilen betrifft, gehen unsere Bedarfe von reiner Strategie, Leadership & Change Management über die Supply Chain bis hin zu Commercial Excellence und digitaler Transformation.
DANIEL NERLICH: In der Schweiz hat sich Implement durch einen Zukauf den Markt erschlossen. Steht Anorganik auch in Deutschland auf dem Zettel?
NINA MÖLLER: Bei Implement weiß man nie, was kommt [lacht]. Bei uns gibt es ja kein „3-Jahres-Playbook“, also falls uns da etwas Kleines über den Weg laufen sollte, das kulturell passt: Warum nicht auch eine Firma zukaufen? Bis dahin treiben wir aber nachhaltig unser organisches Wachstum voran.
DANIEL NERLICH: Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Möller.
Titelbild: Teammitglieder der Implement Consulting Group © Implement Consulting Group