„Play long-term games with long-term people“ – Interview mit Georgiy Michailov, Managing Partner bei Struktur Management Partner

DANIEL NERLICH: Herr Michailov, vielen Dank, dass Sie die Zeit für dieses Gespräch finden. Aufgrund von Inflation, Lieferkettenproblemen und Ressourcenknappheit sind Sie als Restrukturierungsberater derzeit vermutlich ein vielbeschäftigter Mann?

GEORGIY MICHAILOV: Interessanterweise erwartet man gemeinhin seit 2019 eine große Restrukturierungs- und Turnaround-Welle. Die ist bislang jedoch ausgeblieben. Aus meiner Sicht war der relevante Faktor in diesem Zusammenhang das viele Geld des Staates, das in den Markt gebracht wurde. Wir spüren zwar derzeit eine Marktbelebung, aber von einer Welle kann ich persönlich nicht reden.

Was uns bei Struktur Management Partner hilft ist, dass wir nicht nur radikale Transformationen im Sinne von Turnaround Management, sondern auch viele Geschäftsmodelltransformationen und -Redesigns begleiten. Das versetzt uns in die Lage, stets eine hohe Auslastung zu gewährleisten. Auch zwischen 2010 und 2019, als Deutschland eine der stärksten Wachstumsphasen seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat, waren wir immer bestens ausgelastet.

Wie sehen Sie die Entwicklung der Restrukturierungsfälle über die nächsten ein, zwei Jahre hinweg?

Falls uns der Staat nicht wieder mit Helikopter-Geld überschütten wird, werden wir eine strukturelle Bereinigung erleben, im Rahmen derer nur substanzstarke Unternehmen überleben werden. Das Inflationsmanagement wird eine neue Kernkompetenz im Management der Firmen sein. Ich selbst stamme aus Usbekistan, wo ein Jahr mit Inflationsrate von 20 Prozent als ein gutes Jahr galt.

„Die Preisweitergabe ist der ultimative Stresstest für die Wertpositionierung eines Unternehmens.“

Die aktuelle Manager-Generation in Deutschland kennt eine Inflationsrate in dieser Höhe nicht und hier wird es darauf ankommen, diese Preisanstiege zu managen. Interessant in diesem Kontext: Die Preisweitergabe ist der ultimative Stresstest für die Wertpositionierung eines Unternehmens. Da wird die Spreu vom Weizen getrennt und man erkennt, ob man eine Daseinsberechtigung besitzt oder ob dies nicht der Fall ist.

Wenn ich Gesellschafter eines notleidenden Unternehmens, Banker oder ein sonstiger Multiplikator wäre – warum würde ich mich für Struktur Management Partner (SMP) entscheiden?

Zwei Aspekte sind hier relevant: Da ist zunächst einmal unsere Reputation. Zum anderen ist es die Art und Weise, wie wir im Rahmen unserer Projekte vorgehen. Wir haben eine klare Philosophie, einen ganzheitlichen Ansatz und wir leben in der Praxis, was wir in unseren Büchern beschrieben haben.

„Der faire Ausgleich der Partikularinteressen aller Beteiligten ist Erfolgsfaktor Nummer eins im Turnaround Management.“

Wir legen zudem sehr großen Wert auf so genanntes Stakeholder Management, weil der faire Ausgleich der Partikularinteressen aller Beteiligten der Erfolgsfaktor Nummer eins im Turnaround Management ist. Das wird häufig vergessen. Es kommt nicht immer nur auf ein sehr gutes Konzept an, sondern auch auf eine gute Austarierung der Interessen und die konsequente Umsetzung. Das ist es, was wir seit 40 Jahren anbieten und was uns positiv hervorhebt.

Sie selbst haben die Hälfte dieses 40-jährigen Bestehens von SMP begleiten können und blicken dabei auf einen raketenhaften Karriereverlauf – vom Praktikanten zum Managing Partner. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Ich weiß gar nicht, ob das immer so raketenhaft war. Es war zumindest so, dass sich das Motto bewahrheitet hat: Immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort – mit der richtigen Lebenseinstellung! Lebenseinstellung hilft mit persönlich sehr, denn ich bin nicht zielgetrieben, sondern systemgetrieben. Wenn man die richtigen Prinzipien für das Leben gefunden hat, wird man auch auf Dauer erfolgreicher. Um ein Beispiel zu geben: Bei den Olympischen Spielen haben alle die gleichen Ziele und es gibt dennoch nur einen Sieger. Mit den Worten von James Clear: „Man steigt nicht auf das Niveau der eigenen Ziele, sondern man fällt auf das Niveau der eigenen Systeme“.

Für mich selbst ist Kontinuität wichtiger als Intensität. Es ist klüger, jeden Tag ein Prozent besser zu werden, um am Ende des Jahres 37x besser als zuvor geworden zu sein, als einmal im Jahr Vorsätze zu fassen, die nach zwei Wochen wieder fallengelassen werden. Ich verfolge den Grundsatz: „Play long-term games with long-term people“! Es sind also immer mehrere Meisterschaften, die man im Leben spielen wird. Sei ein Team und spiele nicht nur im Team.

Wenn wir über Ihr Team sprechen: Was stellt denn Struktur Management Partner im hart umkämpften Kandidatenmarkt im Bereich der Restrukturierungsberatung besonders heraus? Gibt es Alleinstellungsmerkmale?

Es werden sicherlich viele Consulting-Arbeitgeber im Markt für sich das Thema Kultur reklamieren. Wir bei Struktur Management Partner erzählen unseren Mitarbeitenden nicht, dass sie ein Team zu sein haben und lieb zueinander sein mögen. Wir gehen mit dem Thema Kultur anders um: Bei uns folgt die Kultur der Struktur. Deswegen setzen wir andersartige Strukturen ein, die eine differenzierte Kultur erst ermöglichen. Um ein paar Beispiele zu geben: Wenn fünf gleichermaßen erfolgreiche Personen zur gleichen Zeit zur Beförderung anstehen, dann befördern wir alle fünf und nicht nur eine oder zwei davon. Wir möchten bewusst keinen Wettbewerb untereinander fördern, denn das gereicht für den Menschen und die Organisation zum Nachteil.

„Ein Berater wird dafür bezahlt, dass er wieder geht, und nicht dafür, zu bleiben.“

Auch werden bei uns die Partnerinnen und Partner oder die sonstigen Teammitglieder nicht nach Umsatz bewertet. Das hat zur Folge, dass man den Mehrwert für den Kunden im Fokus hat und nicht den eigenen Vorteil. Daher laufen auch unsere Verträge mit Mandanten nur über drei Monate – ein Berater wird dafür bezahlt, dass er wieder geht, und nicht dafür, zu bleiben.

Was uns zudem unterscheidet, sind Mitarbeitende, die das Gefühl haben, in einem Unternehmen angestellt zu sein, bei dem der Mehrwert an erster Stelle steht. Unsere Kolleginnen und Kollegen wissen, dass uns der Mehrwert wichtig ist und dass dies nicht als Marketing-Gag kommuniziert wird – bei uns sind Teile des Honorars an die Kundenzufriedenheit gekoppelt. Die wesentliche Frage ist, wo Marketing aufhört und das echte Leben beginnt.

Teamevent von Struktur Management Partner

Gibt es eine spezielle DNA, die eine Person mitbringen sollte, um zu Ihrem Team zu passen?

Wir suchen Typen! Wenn man allein unsere Partnerschaft betrachtet, findet man höchst unterschiedliche Charaktere. Wir legen sehr großen Wert darauf, dass man keine aalglatte Lebenslaufgestaltung mitbringt, sondern etwas anbietet, was bemerkenswert ist. Neben Intelligenz ist sicherlich Integrität ein sehr wichtiges Kriterium. Eine Kultur, in der es nicht um die Ellenbogen, sondern um etwas Wertschaffendes geht, braucht die dafür nötigen Menschen.

Jeder Ansatz hat seine Daseinsberechtigung. Wenn man sich sehr gerne wie ein Hai benimmt, sollte man zusehen, dass man mit Haien schwimmt. Das ist eine Frage der inneren Einstellung. Wir verzichten zum Teil auf Wachstum, weil wir nicht die nötige Anzahl an Menschen gewinnen können, die unserem Anspruch an eine DNA entsprechen können. Dann ist es besser, wir wachsen langsamer, dafür aber kontinuierlich.

Sie sprachen die große Diversität an Charakteren in Ihrer Partnerschaft an: Wie gewährleisten Sie, dass aus Ihren Diskussionen der größte Mehrwert für Ihre Kunden und Ihre Organisation entsteht – und nicht nur der kleinste gemeinsame Nenner resultiert?

Eine gute Frage, vor allem aus der Perspektive der Struktur. Unsere Bezahlung folgt ja wie schon erwähnt dem Prinzip der Gesellschafterbeiträge und nicht der persönlichen Bewertungsansätze. Das heißt, wir kämpfen nicht um Budgets. Wir kämpfen nicht um Ressourcen. Es geht darum, für die Firma das Bestmögliche zu erreichen. Und wir können heute auf einzelne Ausschüttungen verzichten, um die Zukunft besser werden zu lassen. Es ist eine unglaubliche Erleichterung für die Entscheidungsfindung, weil alle an einem Strang ziehen.

Das ist bei 12 Gesellschaftern nicht immer einfach – da entsteht auch einmal Reibung. Wir werden daher von einem Coach begleitet, um diese kreative Reibung stets positiv zu halten.

Ihr Haus bringt es auf den Punkt: „Wir bilden aus: Geschäftsführer/innen“. Warum sind Sie selbst noch nicht in eine Geschäftsführung auf Industrieseite gewechselt?

Ich habe mich für etwas Kleineres entschieden, nämlich Geschäftsführer einer Unternehmensberatung zu werden [schmunzelt]. Ihre frage ist für mich einfach zu beantworten: In einem Industrieunternehmen würde es mir einfach nach ein paar Jahren zu langweilig werden. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die hin- und herspringen, denn mein erster Grundsatz lautet ja: „Play long-term games with long-term people“. Mir ist es sehr wichtig, dass ich Freude am Leben habe und ich nicht den maximalen monetären Ertrag jage. Ich mag die abwechslungsreiche, geistig und intellektuell herausfordernde Tätigkeit mit sehr vielen neuen Menschen arbeiten zu dürfen.

Wenn man beispielsweise mit dem Gründer eines Industriebetriebs mit ein paar hundert Millionen Euro Umsatz zusammenarbeitet – da habe ich Respekt vor der unternehmerischen Leistung. Das sind Persönlichkeiten, mit denen man gerne zusammenarbeitet.

Worin liegt aus Ihrer persönlichen Sicht der Unterschied, Geschäftsführer und nicht allein Berater/in in einer Unternehmensberatung zu sein?

Ich denke, der wichtigste Unterschied liegt darin, sich herauszoomen zu können. Ich habe die gesamte Karriereleiter vom Praktikanten, Consultant, über den Manager, Senior Manager, Partner bis zum geschäftsführenden Partner vollzogen. Die Herausforderung mit zunehmender Verantwortung besteht darin, den Blick für das Ganze zu behalten. Ich selbst versuche zu reflektieren, wie viel ich im Unternehmen arbeite und wie viel ich am Unternehmen arbeite. Ich fakturiere immer noch einen hohen Teil meiner Zeit durch Projektarbeit, weil ich fest davon überzeugt bin, dass man den Bezug zur Praxis haben sollte, um ein Unternehmen weiterentwickeln zu können. Eine Strategie besteht darin, die Chancen in einem hochkomplexen, dynamischen Umfeld im laufenden Betrieb zu erkennen – statt nur einmal im Jahr durch eine Klausurtagung.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Michailov.


Bilderquelle: Struktur Management Partner

Kommentar verfassen