Vor rund 26 Jahren gründeten Martin Haas und Ralf Stokar von Neuforn die Lean-Management-Beratung Staufen AG. Im Juni 2020 wechselte Haas nun aus der Rolle des CEOs in die des Vorsitzenden des Aufsichtsrats, die bis dahin sein Partner Stokar von Neuforn innehatte. Im exklusiven Gespräch mit der CONSULTANT career lounge ist ein energiegeladener, gut aufgelegter Martin Haas anzutreffen, der eine klare Vision davon hat, wie die Staufen AG in 5 Jahren aussehen wird und was er künftig mit seiner eigenen Zeit anstellen wird.
Haas, der von Kindesbeinen an den Drang zur Selbständigkeit hatte und Verantwortung übernehmen wollte, entwickelte sich nach eigener Aussage über die Jahre hinweg zu einem Workaholic. Stets angetrieben, für seine Kunden ebenso wie für seine eigene Firma Exzellenz zu erreichen und bessere Effektivität sowie Effizienz zu realisieren. Der sich einstellende Erfolg rief andere Unternehmensberatungen auf den Plan, so dass mit der Zeit zahlreiche Angebote zur Übernahme der Staufen AG eingingen. Dennoch erlagen beide Gründer, Martin Haas und Ralf Stokar von Neuforn, niemals dem Lockruf des Geldes, zu sehr waren ihnen die eigene Freiheit, Identität und Kultur wichtig. Haas gebraucht Begriffe wie „Familie“ und „Generationenvertrag“, wenn er die Staufen AG skizzieren soll.
Neben der emotionalen Verbundenheit zu seinem eigenen Team ist spürbar, dass er auch vielen anderen Unternehmensberatungen Respekt und Wertschätzung zollt. Mit einem präzisen Blick auf die Kundenbedürfnisse einerseits sowie die Entwicklung neuer Service-Plattformen anderer Markteilnehmer sieht Haas zahlreiche Perspektiven für Innovation bei der Staufen AG. Zukünftig möchte der studierte Ingenieur seine eigene Zeit „clever“ einsetzen, um sich intensiv in Netzwerken mit spannenden Menschen auszutauschen.
Nachfolgend Auszüge aus dem Gespräch mit einer der herausragenden Persönlichkeiten, die den deutschen Beratungsmarkt in den vergangenen Jahrzehnten unternehmerisch prägten.

CONSULTANT career lounge: Herr Haas, ist Ihnen in den vergangenen Wochen bereits langweilig geworden?
Martin Haas: Ganz sicher nicht [lacht]! Zum einen hält uns Covid-19 auf Trab und zum anderen habe ich die Zeit genutzt, um viele, etwas vernachlässigte Kundenkontakte zu pflegen. Langeweile ist, so glaube ich, auch nicht wirklich mein Ding.
Wie schwer fiel es Ihnen, die Verantwortung für „Ihre Firma“ in die Hände anderer zu übergeben?
Natürlich ist dies nach 26 Jahren eine Entscheidung, die einen beschäftigt. Aber mit dem Wissen, dass es die richtigen Hände sind, ist es mir nicht zu schwergefallen. Zudem haben wir bereits seit vielen Jahren ein lebendes Partnermodell: Das heißt, dass sowohl Firmenanteile, als auch unternehmerische Verantwortung bei den Leistungsträgern liegen.
Versetzen wir uns in das Jahr 1994: Sie hatten zuvor Stationen beim Fraunhofer Institut, bei Daimler-Benz als Teamleiter in der Achsmontage sowie zwei Jahre als freiberuflicher Berater hinter sich. Was war der Gründungsgedanke für die Staufen AG?
Das Thema Selbstständigkeit und eine eigene Unternehmung zu entwickeln, hat sowohl bei mir, als auch bei meinem Gründungspartner, Ralf Stokar von Neuforn, schon immer geschlummert. Nachdem ich in der Konzernwelt, für die ich persönlich nicht geschaffen bin, viel interne Politik miterlebt hatte, wollte ich Verantwortung übernehmen und „machen“.
„In der Beratung war ich nur noch meinen Kunden und mir selbst verantwortlich. Das war es, was mich an der Gründung einer Unternehmensberatung reizte, faszinierte und vorantrieb.“

Dazu kam dann die Opportunität, die damals in Insolvenz befindliche Staufen Akademie, ein IT-Trainingsanbieter, kaufen zu können. Bestehende Kundenbeziehungen im süddeutschen Raum waren ein guter Grundstein, um unsere Beratungsleistungen in den Markt zu tragen.
Wenn Sie die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren lassen, wie würden Sie die Entwicklung zusammenfassen?
Erfolgreiche Arbeit mit tollen Kunden, Partnern und Mitarbeitern. Für jeden von uns auch permanente persönliche Weiterentwicklung.
Was ist der Kern der Erfolgsgeschichte der Staufen AG? Was trug dazu bei, dass Sie Jahr für Jahr erfolgreich wachsen konnten und heute mit etwa 340 Mitarbeitern rund € 70 Mio. Umsatz erzielen?
Natürlich sind es viele Elemente, die uns geholfen haben, aber in Abgrenzung zu vielen anderen Beratern möchte ich drei Dinge herausheben: Erfahrene Führungskräfte aus Best-Practice-Unternehmen als Staufen Berater, unsere Akademie als Marketingmaschine und die Zusammenarbeit mit unseren Best-Practice-Partnern, wie zum Beispiel der SEW Eurodrive.
Darüber hinaus haben wir unsere Vision und Mission über konsequentes Marketing an den Markt getragen. Wir verfolgten schon damals das Prinzip „Branding mit System“. Auch dies war ein entscheidender Faktor für die gute Entwicklung über die Jahre hinweg.

Worin liegen für Sie die entscheidenden Kompetenzen eines erfolgreichen Consulting-CEOs?
Eine gute Portion Fach-Know-how und Erfahrung, visionäres Denken, Überzeugungsfähigkeit und der Wille, mit den Kunden das beste Ergebnis zu erzielen.
Und was zeichnet einen echten Unternehmer im Beratungskontext aus?
Unternehmertum fordert in Industrie und Beratung ähnliche Attribute. Mut zu Entscheidungen, das richtige Gespür für den Markt und die Kunden sowie die Bereitschaft, Werte vorzuleben. Außerdem stellt sich die Frage: Wen nimmt man als Partner und Gesellschafter hinein, wie sieht das Beteiligungsmodell aus?
„Gründer einer Unternehmensberatung müssen zudem die Herausforderung meistern können, ihre Firma über Jahre hinweg immer wieder innovativ weiterzuentwickeln.“
Was hat Sie persönlich als Mensch geprägt und zu dem werden lassen, der Sie heute sind?
Ganz besonders sind dies sicher die Menschen, mit denen ich zusammenarbeiten durfte. Tagtäglich Neues zu sehen, von Unternehmern und Managern lernen zu dürfen, der permanente Austausch mit spannenden Menschen. Ich möchte dies nicht missen. Nach den vielen Jahren haben sich über den beruflichen Weg auch tolle Freundschaften entwickelt, die auch in der neuen Rolle tragen werden.
Haben Sie sich über die vergangenen Jahre in bestimmten Sichtweisen oder Eigenschaften verändert?
Ich glaube, die Komplexität und Herausforderung hat sich deutlich erhöht. Konnten wir zur Gründung 1994 allein von unserer Fachkompetenz leben, so gilt es heute, ganz unterschiedliche Kompetenzen im Sinne des besten Ergebnisses zu verbinden. Unsere Basis ist immer noch das profunde Lean-Wissen. Aber erst gepaart mit Führungskompetenz, betriebswirtschaftlicher Kompetenz, moderner Organisationsentwicklungskonzepte und Digitalisierung entstehen die besten und nachhaltigsten Ergebnisse. Dies erfordert agiles Arbeiten in Netzwerken und ein zusammenbringen unterschiedlichster Disziplinen.
Was für eine Kultur haben Sie in Ihrer Partnerschaft entwickelt? Woran kann man spüren, dass man bei der Staufen AG Partner ist?
[Lacht] An unseren Partys! Nein, ernsthaft: Uns war es immer wichtig, dass bei Staufen Menschen mit hohem, gleichem Wertesystem zusammenkamen. Sehr gerne mit ausgeprägten unterschiedlichen Kompetenzen, aber die Werte sollten die gleichen sein. Streben nach Spitzenleistung, Unternehmertum, Leidenschaft, Verbundenheit und Integrität tragen uns schon über 20 Jahre. Und gemeinsam ausgiebig zu feiern, gehört natürlich auch dazu.
Ganz allgemein gesprochen, wie hat sich die Beratungslandschaft in den vergangenen Jahren gewandelt?
Der Beratungsmarkt hat sich in den letzten Jahren und wird sich in den nächsten Jahren weiter konsolidieren. Gerade die Kombination unterschiedlichster Kompetenzen, von Strategie und Umsetzung wird zu weiteren Zusammenschlüssen führen. Laut Lünendonkliste sind wir jetzt auf Platz 13 der führenden Managementberatungsunternehmen in Deutschland – eine gute Ausgangsposition für weiteres Wachstum.
….und was erwarten Sie darüber hinaus für die kommenden Jahre?
Der Konsolidierungstrend wird weitergehen und Digitalisierung wird im Fokus der Kompetenzentwicklung stehen. Ganz im Sinne der Kundenerwartungen werden Kompetenzen zunehmend in ganzheitliche Services integriert sein. Für die Staufen AG bedeutet dies zweierlei: Zum einen werden wir deutlich mehr in Richtung Diversity gehen – Diversität entlang vieler Faktoren, insbesondere aber in Bezug auf Mentalität und Kompetenz. Andererseits werden wir uns stark in Richtung einer Netzwerkorganisation entwickeln, die ausgewählte Kooperationspartner einbindet, um ganzheitlich lieferfähige Lösungen zu entwickeln.
„Dies wird zugleich auch meine persönliche Zukunft sein: dass ich viel mehr Plattform bin und Menschen und Kompetenzen zusammenbringe.“
Gibt es den einen Ratschlag, den Sie Unternehmensberatern geben möchten, die eine erfolgreiche Karriere im Consulting anstreben?
Zusammenarbeit mit den Besten!
Bildquelle: Staufen AG