“Wir müssen anfangen, Beratung anders zu bauen” – Interview mit Michael Pachmajer, Co-Founder von d.quarks

Michael Pachmajer, Co-Founder von d.quarks, ist der Überzeugung, dass eine neue Form von Consulting nötig ist. Was das mit Moral, Bäumen, Pods und dem Teilchenbeschleuniger im CERN zu tun hat, erklärt er im Interview mit CONSULTANT career lounge.


Daniel Nerlich: Herr Pachmajer, können Sie bitte kurz erklären, was Quarks sind?

Michael Pachmajer: Quarks sind die kleinsten Teilchen der Materie. Das, was das Universum zusammenhält. Das Spannende ist, wie man Quarks identifiziert: Das erfolgt in großen Teilchenbeschleunigern beispielsweise im CERN am Genfer See, in dem Protonen aufeinander geschossen werden. Daraus entsteht dann Neues und es können Antworten auf Fragen gegeben werden, die sich die Wissenschaft zuvor noch gar nicht gestellt hat.

Das hat uns inspiriert: Wie ist das eigentlich, wenn wir über digitale Transformation in Unternehmen reden? Da gibt es auch Elementarteilchen, also Bausteine für die jeweilige Transformation, und die haben wir identifiziert und beschrieben.

Michael Pachmajer, Co-Founder von d.quarks

Welche Lehren lassen sich daraus konkret ziehen?

Es geht darum, dass die Teilchen im Unternehmen in Bewegung gebracht werden müssen. Für mich sind das die Menschen in diesem Unternehmen – mit ihrem Wissen, mit ihrer Profession, mit ihrer Erfahrung und ihrem Können. Wenn die zusammenkommen, wenn das aufeinanderprallt, davon bin ich fest überzeugt, wird etwas Neues entstehen. Beispielsweise auch neue digitale Geschäftsmodelle. Durch diesen Zusammenprall werden wir in die Lage versetzt, bestehende Strukturen und Prozesse aufzusprengen, die uns bislang daran gehindert haben, gut miteinander zusammenzuarbeiten. Tatsächliche Kollaboration und Kokreation werden somit überhaupt erst möglich.

Sie haben vor 3 Jahren die Firma d.quarks gegründet. Was war die Vision dahinter?

Uns geht es stets darum, Menschen in Verantwortung befähigen zu wollen. Führungskräfte in Familienunternehmen, im Mittelstand, aber auch im öffentlichen Sektor sind damit beschäftigt, die digitale Transformation erfolgreich zu meistern. Uns geht es darum, diese Menschen zu befähigen, selbst in der Lage zu sein, diese Veränderung zu gestalten. Und dass sie nicht mehr darauf angewiesen sind, auf Beraterinnen und Berater, auf Lieferanten oder auf Technologieanbieter zurückgreifen zu müssen. Dass sie die Abhängigkeit von ihnen deutlich reduzieren.

Wenn Sie Ihre Kunden befähigen wollen, unabhängig von externer Beratung zu sein: Wie ist dann Ihr eigener Beratungsansatz?

Erst einmal ist es wichtig festzuhalten, dass wir keine klassischen Berater sind. Wir verstehen uns als Befähiger, als Sparringspartner, Prozessgestalter und Netzwerker für Transformationen. Bei Transformationen im Kontext von Digitalisierung und Nachhaltigkeit geht es immer darum, die Frage nach der Zukunftsfähigkeit einer Organisation zu stellen. Verbunden mit der Kernfrage: Mit welchen Geschäftsmodellen bin ich in der Zukunft genauso erfolgreich wie in der Vergangenheit?

Wir arbeiten an Haltungen und Einstellungen und daran, dass Vereinbarungen nachhaltig kultiviert werden.

Michael Pachmajer

Uns geht es nicht darum, Abhängigkeiten aufbauen zu wollen. Wie ein Sparringspartner geben wir auch mal die Richtung vor. Wir stärken die Stärken. Wir arbeiten an Haltungen und Einstellungen und daran, dass Vereinbarungen nachhaltig kultiviert werden. Und wir schaffen auch die Dialog- und Denkräume, von denen es viel zu wenige gibt. In diesen Schutzräumen kommen Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammen, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln und Probleme zu lösen.

In unserem Transformationsansatz lernen wir sehr viel aus der Natur, weil es die natürlichen Ökosysteme verstanden haben, sehr widerstandsfähig zu sein gegen unerwartete Ereignisse und gegen disruptive, zerstörerische Entwicklungen. Die Frage ist für uns immer, wie wir diese Ökosystemkriterien, nach denen natürliche Ökosysteme Widerstandsfähigkeit erringen, in einen unternehmerischen Kontext integrieren können. Dann stellt man auf einmal fest: Es gibt eine ganz andere Balance      zwischen Kollaboration und Wettbewerb. Heute ist alles auf Wettbewerb und auf unendliches Wachstum ausgerichtet – aber so funktioniert ein natürliches Ökosystem überhaupt nicht.

Denken Sie an einen Baum: Natürlich möchte ein Baum möglichst viel Sonnenenergie bekommen, um wachsen zu können. Aber er wird nie nach dem „The winner takes it all“-Prinzip verfahren, alles an Stofflichkeit, an Ressourcen und Energie aufnehmen und um sich herum nichts mehr gedeihen lassen. Dann würde er sterben, weil er in einer symbiotischen Beziehung steht. Kollaboration ist nämlich das beherrschende Prinzip. Und das gilt es, in einen Unternehmenskontext oder auch in einen Verwaltungskontext zu übertragen. Es geht darum, die Frage zu beantworten, wie nachhaltige Organisationen in Zukunft aussehen müssen. Ich glaube, dass die viel stärker auf Kollaboration als auf Konfrontation und Wettbewerb ausgerichtet sein werden.

Wie sehen denn Ihre „symbiotischen“ Beziehungen im Rahmen Ihres eigenen Ökosystems aus?

Wir arbeiten mit Menschen zusammen, die die gleiche Haltung wie wir haben und die in der Lage sind, uns und andere zu befähigen. Symbiose bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass wir verstehen, was wir wirklich gut können, und akzeptieren, dass andere eine sehr große Expertise in anderen Feldern haben. Es gilt, ein Team zusammenzustellen, das Kollaboration und Kokreation vorlebt und dies atmosphärisch, kulturell an unsere Kunden vermittelt.

Wie kann man sich eine Zusammenarbeit mit d.quarks vorstellen? Erfolgt die Zusammenarbeit auf Basis eines klassischen Projektansatzes?

Wir arbeiten in unterschiedlichen Intentionen mit Kunden zusammen: Das können klassische Projekte sein, die über mehrere Monate gehen. Auch solche, in denen wir als Interim Manager operative Verantwortung für die digitale Transformation übernehmen. Das können aber auch nur einige Workshops sein oder ein Sparring über einen Tag. Das kann aber auch eine Intervention von einer Stunde sein, innerhalb derer wir etwas gemeinsam erarbeiten oder einen Knoten lösen. Wenn man in großen Beratungsfirmen arbeitet, kann man gar nicht so kleinteilig arbeiten, weil dies das Geschäftsmodell überhaupt nicht hergibt.

Sie waren für Firmen wie T-Systems, Accenture, Infosys und PwC tätig. Was haben diese Stationen mit Ihnen gemacht? Wie wurde Ihr Sinn für Beratung geschärft?

Sie haben mich zu einer kritischen Distanz zu dieser Art von Beratung geführt. Insbesondere der Ansatz der so genannten Professional Service Firms setzt primär auf Abhängigkeit. Es geht eigentlich immer darum, möglichst viel an Beratungsleistungen des eigenen Hauses beim Kunden zu platzieren. Und das steht unserem Ansatz diametral entgegen: Wir befähigen Unternehmen und bauen Abhängigkeiten ab.

Es hat mir aber auch den Blick geschärft, dass Unternehmensberatungen in Deutschland einen sehr großen Einfluss haben. Kaum eine Managemententscheidung wird geplant, vorbereitet oder gefällt ohne die Mitwirkung von Beraterinnen und Beratern. Die Wirtschaft im Allgemeinen und die Zukunft von einzelnen Unternehmen hängt in bedeutendem Maße von Unternehmensberatungen ab. Und das in einer Dimension, wie sie den Beraterinnen und Beratern selbst oftmals gar nicht bewusst ist.

Zum Zweiten habe ich verstanden, dass diese Beratungsfirmen die nächste Generation von Führungskräften aufbauen und ausbilden. Wir wissen ja, dass in diesen Beratungsfirmen nicht alle Menschen am Ende Partnerinnen und Partner werden können – der Großteil wird diese Firmen verlassen. Viele steigen dann auf der oberen oder mittleren Führungsebene in ein Unternehmen oder in eine Verwaltung ein. Die Frage, welche Führungsskills sie mitbringen, welche Führungskultur sie an den Tag legen, wie sie kollaborieren oder wie stark bei ihnen Wettbewerb im Vordergrund steht, hängt sehr stark damit zusammen, wie sie in der Beratung sozialisiert worden sind.

Wenn man Menschen in Beratungsunternehmen vorwiegend auf den eigenen Vorteil, Konkurrenz und Hierarchien bezogen ausbildet, muss man sich nicht wundern, wenn diese Menschen 6 oder 8 Jahre später in einem Unternehmen im mittleren Management sitzen und genau diese Verhaltensweisen reproduzieren. Das ist ein Problem.

Welche moralische Verpflichtung würden Sie von Beratung erwarten?

Wir müssen uns dieser Verantwortung und dieser Einflussnahme bewusst sein und wir müssen anfangen, Beratungen anders zu bauen. Dieses pyramidale Prinzip, das in den Beratungen vorherrscht, folgt einem mechanistischen Menschenbild. Es geht um Zielvorgaben, um Kontrolle, aber auch um Sanktionen, wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden. Dies beispielsweise durch das Up-or-Out-Prinzip oder das Ausbleiben von Bonuszahlungen. In den Beratungen funktioniert vieles nur über extrinsische Motivation – über Geld.

Und das führt zu einem bestimmten Verhalten, das auf Wettbewerb und Ich-Perspektive ausgerichtet ist und sehr hierarchisch funktioniert. Davon müssen wir unbedingt weg. Wir müssen in Beratungen mehr zu einem optimistischen Menschenbild kommen: Wo es wichtiger ist, dass es symbiotische Beziehungen gibt, wo klar ist, dass wir nur in einem Netzwerk von Fähigkeiten gut funktionieren können, was dezentral und partizipativ aufgebaut ist. Ein Menschenbild, das eine ganz andere Kultur und andere Kompetenzen voraussetzt.

Bei PwC konnten Sie eine Art „Unternehmen im Unternehmen“ führen, als Sie ein  Beratungsteam mit Spezialisierung auf die digitale Transformation in Familienunternehmen aufbauten. Was hatte es damit auf sich?

Wir, Carsten Hentrich und ich, wollten nicht nach dem bereits beschriebenen mechanistischen Menschenbild führen. Wir sind immer davon ausgegangen, dass wir die Menschen in unserem Team ganz bewusst eingestellt haben. In den Interviews habe ich den Menschen immer gesagt: „Wenn Ihr diese Hürde nehmt, dann seid ihr hundertprozentig Teil des Teams und ihr genießt unser volles Vertrauen“. Wir gaben ihnen eine psychologische Sicherheit. Das führte dann auch dazu, dass wir unseren Teammitgliedern nicht jeden Tag erzählt haben, was sie zu tun und zu lassen haben.

Wir haben eine „podular organization“ eingeführt, in der die Person mit der höchsten Kompetenz im betreffenden Thema die Führung übernimmt – unabhängig von den Schulterklappen.

Michael Pachmajer

In unserem Team mit fast 20 Personen haben wir symbiotische Beziehungen ausgeprägt. Es gab verschiedene Wissens- und Kompetenzträgerinnen und -träger im Team, die miteinander an Transformationsthemen arbeiteten. Wir haben uns wegbewegt von der hierarchischen Denkweise und haben eine „podular organization“ eingeführt, in der die Person mit der höchsten Kompetenz im betreffenden Thema die Führung übernimmt – unabhängig von den Schulterklappen.

In dieser Weise haben wir Teams für interne Aufgaben zusammengesetzt, aber auch jene Teams, die wir dann zum Kunden geschickt haben. Wir haben uns zusätzlich hinsichtlich der Kooperation mit Externen geöffnet: Wir haben auch Externe, Freelancer oder Wissensträger:innen, in unser Team integriert und sind beim Kunden so aufgetreten, dass für diesen nicht ersichtlich war, dass Personen aus verschiedenen Firmen vertreten waren. Das wirkte immer organisch und wie aus einem Guss, weil wir die gleiche Haltung hatten.

Ihr Team damals war extrem divers aufgestellt: Psychologen, Natur- und Geowissenschaftler, Ingenieure, Informatiker, Start-up-Gründer, klassische BWLer. Was für eine Art von Kultur haben Sie da aufgebaut?

Ich denke, wir haben eine starke Vertrauenskultur etabliert. Eine Kultur, in der sich jede:r bewusst war, dass alles miteinander zusammenhängt und symbiotische Beziehungen notwendig sind, um im Team bestmöglich zu wirken. Ein Team, in dem jede und jeder seine bzw. ihre eigene, bedeutsame Rolle hat. Ein Team mit einer sehr hohen Selbstwirksamkeit, das inspirierend auf Kunden und andere Teams bei PwC wirkte.

© Harvard Business Manager

In einem Artikel des Harvard Business Manager Magazins ist unser Team 2017 unter der Überschrift „die Netzwerker“ als ein neuer Beratungsansatz vorgestellt worden. Wir haben uns immer als die Baumeister von vernetzten Unternehmen verstanden. Das bedeutete auch, dass unser Team dieser vernetzten Logik gerecht werden musste, da man ja nicht mit dem Handwerkszeug eines prädigitalen Zeitalters neuartige, vernetzte Unternehmen bauen kann. Wir mussten uns zunächst als Beratungsteam transformieren, um in der Lage zu sein, unseren Kunden in den Transformationsprozessen als Sparringspartner beizustehen.

Ihre Idee war es damals, maximal hohe Fixgehälter bei niedrigem Bonus anzubieten, um im Wettbewerb die besten Talente zu gewinnen und zugleich das Teamgefühl zu stärken. Alle sollten auf die Teamziele blicken und nicht auf den individuellen Bonus. Wie gut hat das geklappt?

Sagen wir es so: Wir waren ein Team in einem Kontext, der anders gearbeitet hat als wir. Spätestens bei der Frage, wie wir incentiviert werden, sind wir an Grenzen gestoßen. Beim Thema Zielvereinbarung sind wir noch nicht an Grenzen gestoßen, als wir bezüglich unserer drei großen Ziele „Umsatz“, „Marge“ und „Utilization“ für alle ein gemeinsames Teamziel ausgegeben haben. Das lässt sich ein bisschen mit einer Sportmannschaft vergleichen, die zu einem Wettbewerb fährt: Da geht es darum, gemeinsam den Titel zu gewinnen, und nicht darum, wie viel nun die Stürmer oder die Verteidiger am Ende dazu beigetragen haben. Entweder wir gewinnen oder verlieren als Team. Jede Person in unserem Team hatte seine / ihre Rolle und leistete seinen / ihren Beitrag.

Was wir jedoch nicht so ohne weiteres verändern konnten: Eigentlich wollten wir für alle Teammitglieder auf der jeweiligen Karrierestufe das gleiche Gehalt durchsetzen, welches so auskömmlich sein sollte, dass es eine psychologische Sicherheit schafft. An diesem Punkt konnten wir uns aus dem System einer Professional Service Firm nicht herausnehmen. Letztlich mussten wir bei den Vorgaben des klassischen Vergütungsmodells mitgehen – und haben es dann so einigermaßen an unsere Bedürfnisse angepasst.

Es gibt dieses herrliche Bild, auf dem die schwersten Dinge im Universum dargestellt werden. In aufsteigender Reihenfolge werden erst die Sonne, dann ein Neutronenstern, ein schwarzes Loch und schließlich – als schwerstes Element – die Digitalisierung in Deutschland gezeigt. Als Experte für d.quarks: Warum ist an dieser nicht ganz ernst gemeinten Auflistung vielleicht doch etwas dran? Weshalb tut sich Deutschland mit der Digitalisierung so schwer?

Da muss man ein bisschen in die Historie zurückblicken, wie wir in Deutschland mit dem Thema Digitalisierung umgegangen sind: Computertechnologien gibt es schon seit den 1950er, ‘60er Jahren. Die Kommerzialisierung des Internets hat in den 1990er Jahren begonnen. Im Jahr 2000 gab es in Hannover eine Weltausstellung über die Zukunft des 21. Jahrhunderts – und das Internet spielte thematisch keine Rolle. Dann ist etwa zur gleichen Zeit die New-Economy-Blase geplatzt, was dazu geführt hat, dass in Deutschland erst einmal für viele Jahre nicht mehr in Tech-Themen investiert wurde. Frau Merkel hat als Bundeskanzlerin im Jahr 2013 gesagt, dass das Internet für sie „Neuland“ sei. Bei der Bundestagswahl 2017 spielte das Thema Digitalisierung überhaupt keine Rolle. Das heißt, dass Digitales bis ins Jahr 2017 nicht auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda in Deutschland stand. Und das zu einem Zeitpunkt, wo sich die wirtschaftlichen Mechaniken schon ein Vierteljahrhundert verändert hatten und wir uns bereits im Zeitalter der Plattformökonomie befanden.

Auf der anderen Seite beobachten wir natürlich auch, dass es uns in Deutschland in vielen Lebensbereichen einfach sehr gut ging. Wir haben sehr lange auf das Optimierungsprinzip gesetzt und haben in Firmen, in der Verwaltung, in der Politik, in der Wissenschaft, in zivilgesellschaftlichen Organisationen die Strukturen und Prozesse aus dem prädigitalen Zeitalter aufrechterhalten.

Derzeit kommen mehrere Krisenphänomene zur gleichen Zeit immer näher an uns heran und wir stellen fest, dass wir nicht so gut dastehen, wie wir vermeintlich dachten. Dass wir nicht so modern sind, wie wir eigentlich sein wollen. Wir haben in Deutschland einfach viel zu lange auf die Optimierung des Bestehenden anstatt auf Transformation gesetzt. Uns Deutschen fällt es außerdem schwer, uns ständig zu hinterfragen und aus Fehlern zu lernen.

Wir befinden uns in einem Innovator‘s Dilemma: Wir sind nicht gut darin, den Ast, auf dem wir sitzen, abzuschneiden und uns zu neu zu erfinden. Es ist scheinbar nicht Teil unserer DNA, uns während einer Krise zu transformieren. Wir entwickeln keine Vorstellung, besitzen keine Bilder davon, wie die Zukunft unserer Gesellschaft und Wirtschaft in 10, 20 Jahren aussieht. Es gibt in Deutschland wenig Orientierung darüber, in welche Richtung wir uns verändern müssen.

Gründen im Consulting-Kontext: Welche Fallstricke gilt es zu beachten? Wie gelingt die Positionierung? Was würden Sie beim zweiten Mal anders machen?

Ich habe nicht einfach nur mal eben gegründet – bei meinen beiden Mitgründern, Carsten Hentrich und Manuel Heß, und mir war das ein langjähriger Prozess. Wir sind ganz bewusst aus dieser Beratungswelt der Professional Services Firms ausgestiegen und wir wussten, dass es wenig Sinn ergibt, zu einer anderen Beratung zu gehen. Auch dort wären wir nach ein oder zwei Jahren an die gleichen Punkte gekommen und hätten mit Konflikten und Reibereien rechnen müssen. Unser Befähigungsansatz ist eben nicht kompatibel mit den Ansätzen einer klassischen Beratung und wir wollten uns nicht mehr in dem Maße an die bestehenden Strukturen anderer anpassen. Daher war es für mich eine logische Konsequenz, dass wir uns selbstständig machen.

Unsere Reise mit d.quarks hat bereits am 6. November 2015 begonnen, als wir die Entscheidung getroffen haben, eine Anleitung zu publizieren, die Menschen, die in Unternehmen eine Verantwortung innehaben, beim Thema der digitalen Transformation eine Orientierung geben sollte. Carsten und ich saßen an diesem Tag in Hamburg im Murmann Verlag und im Gespräch entwickelten wir die Idee für unser Buch. Dabei sind dann das Narrativ und der Begriff d.quarks entstanden. Das war der Tag, an dem wir angefangen haben, uns neu zu gründen, neu zu erfinden.

Seit 2012 hatten wir bereits mit unserem Befähigungsansatz zur digitalen Transformation von Unternehmen Erfahrungen gesammelt. Wir haben mit Kunden Transformationsprojekte gemacht und dabei unser d.quarks-Modell weiterentwickelt. Und dass dieses Framework eine Wirksamkeit hat und gut ankommt, habe ich während eines Pitches erlebt: In dem Pitch haben wir vor dem Eigentümer eines Familienunternehmens und dem Verwaltungsrat gestanden. Wir haben erklärt, wie wir eine Digitalstrategie erstellen und wie wir das Projekt angehen würden. Und ich weiß noch, wie der Eigentümer dasaß und das Handout immer mitblätterte. Auf einmal reißt er eine Seite aus dem Handout heraus, macht seine Kladde auf und steckt sie dort herein. Es war genau die Seite von unserem d.quarks-Modell, wo wir      die digitalen Fähigkeiten dargestellt haben, die man benötigt, um als Unternehmen digitale Geschäftsmodelle zu realisieren. Da war mir klar: OK, wenn dieser Person unser Modell das Wichtigste der gesamten Präsentation zu sein scheint, dann muss da etwas dran sein. Es schien ihm die Orientierung zu geben, die er suchte. Damit hatte das Modell für mich die Wirkmächtigkeit bewiesen und damit lohnte es sich auch, diese Reise in einer Selbständigkeit fortzuführen.

Würden Sie nochmals in selber Weise gründen und konnte sich alles in der Form realisieren, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Ich würde immer wieder gründen! Natürlich habe ich vor der Gründung auch Angst gehabt: Ich war fast 49 Jahre alt, als ich diesen Schritt gemacht habe. Da ist man natürlich schon sehr viele Jahre in den klassischen Beratungsstrukturen sozialisiert, befindet sich in einer gewissen Komfortzone und es kostet schon Überwindung, den Schritt heraus letztlich zu machen.

Ich habe einen Freund, Jens Hahn, der als Business Illustrator Teil unseres Netzwerkes ist. Der sagte damals zu mir: „Michael, ich bin nun selbst seit 20 Jahren selbstständig. Wenn du im Flow bist und dich immer bewegst, dann wirst du in der Selbständigkeit nicht scheitern. Du wirst ja nie nichts machen“! Das hat mir so viel Mut gegeben. Natürlich werden wir Aufträge bekommen, denn wir werden schließlich nicht zu Hause sitzen und nichts machen.

Und dann geht man heraus, spricht mit Menschen und erzählt von der neuen Selbständigkeit. Menschen, mit denen wir vorher zusammengearbeitet hatten, gaben uns das Feedback: „Wir schätzen euch sehr, wir empfehlen euch weiter, wir arbeiten gerne mit euch zusammen“. Das hat natürlich sehr gut getan.

Herzlichen Dank für dieses gute Gespräch, Herr Pachmajer!

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