Co-Founder von COMATCH zieht nach Verkauf erste Bilanz zum Gründen im Consulting-Kontext

DANIEL NERLICH: Lieber Herr Dr. Schächtele, Sie haben vor wenigen Wochen den Verkauf Ihrer Firma COMATCH an Malt bekannt gegeben. Wo befinden Sie sich derzeit im Deal– beziehungsweise Integrationsprozess?

Dr. Jan Schächtele: Mitten in der Integration! Wir haben uns bewusst dazu entschieden, uns nicht in den neuen Kontext „hereinzudrücken“, sondern von Anfang an eine Integration zu vollziehen, in der die Fachabteilungen sehr stark mit eingebunden sind. Jetzt geht es darum, sich zu beschnuppern und ein gemeinsames Verständnis davon zu entwickeln, was das Beste für die Zukunft ist. Sie sehen: Wir haben die Ärmel hochgekrempelt und befinden uns mittendrin.

Gründer und Geschäftsführer von COMATCH und Malt (v.l.n.r): Jan Schächtele (COMATCH), Vincent Huguet (Malt), Christoph Hardt (COMATCH), Alexandre Fretti (Malt) © Malt/Manuel Nieberle

Was war für Sie der ausschlaggebende Punkt, gerade jetzt den Deal zu vollziehen?

Wir haben als COMATCH festgestellt, dass für unser weiteres Wachstum zwei Stoßrichtungen in Frage gekommen wären: Weil wir auf dem europäischen Kontinent in allen großen Märkten vertreten waren, konnten wir entweder in eine neue Region oder aber in den bestehenden Märkten noch mehr in die Tiefe gehen. Es gab mehrere Dinge, die wir in Betracht gezogen haben und am Ende haben wir uns entschieden, in den bestehenden Märkten zu bleiben. Die Zusammenführung von einem Spieler für digitale Freiberufler (Malt) und einem Strategiespieler (COMATCH) war aus unserer Sicht die richtige Richtung für unser weiteres Wachstum. Wir glauben an eine Zukunft, in der digitale und strategische Projekte noch stärker zusammenwachsen.

Warum war speziell Malt der richtige Partner?

Wir fanden es für uns persönlich, aber auch für den europäischen Kontext, ganz spannend, im Kontrast zu den angelsächsischen Spielern einen großen Akteur und somit ein Gegengewicht in diesem Talent-Markt auf europäischer Basis zu formen. Außerdem haben wir bei Malt einen sehr guten kulturellen Fit gespürt: Sie sind ebenso wie COMATCH ein Start-up-Unternehmen, was uns Malt schon einmal näherbringt als eine klassisch gewachsene Firma. Aber wir haben auch Menschen mit sehr ähnlichen Werten und vergleichbarem Purpose vorgefunden. Bei Malt heißt es „The Power of Choice“ und bei uns heißt es „We want to create a work life that is more than a job“. Es ging sehr viel darum, wie man für das Marktsegment der flexiblen Arbeit Veränderung kreieren kann. Kunden wollen wir einen einfachen One-Stop-Shop ermöglichen, der Sie mit den besten Freiberuflern aus allen Kategorien zusammenführt. Da passte es entlang verschiedener Dimensionen sehr gut zusammen.

Sie haben COMATCH im Jahr 2014 mit Christoph Hardt gegründet und konnten die Firma seither wachsen lassen. Wie schwer ist Ihnen nun die unternehmerische Entscheidung gefallen, Ihr „Baby“ zu verkaufen?

Das ganze Team hat sich in den vergangenen Jahren hereingekniet, hier in Deutschland einen neuen Markt zu erschließen. Es ging darum, edukativ festzustellen, dass es dieses Marktsegment tatsächlich gibt. Wenn man sich vor 10 Jahren den Freelancer-Markt angeschaut hat, waren dort vor allen Dingen die Softwareentwickler und Kreativen anzutreffen. Mit COMATCH mussten wir viel Pionierarbeit leisten, um diesem Markt den Weg zu bereiten. Am Ende war das Marktsegment rund um Freelance-Managementberater ein Green Field, in das wir hereingegangen sind.

Natürlich waren 8 Jahre eine sehr, sehr lange und intensive Zeit – mit allen Höhen und Tiefen. Es war letztlich der Moment gekommen, „flügge zu werden“. Kann das Modell aus sich heraus auf eigenen Beinen stehen, wenn man es in etwas Größeres einbringt? Dieses Marktsegment muss sich nun unter einem größeren Dach und neben weiteren Segmenten behaupten. Wir hatten das Gefühl, dass der Markt nun weit genug gediehen ist, dass die Brand hinreichend etabliert ist und die Strukturen sauber aufgestellt sind. Für einen persönlich ist dies selbstverständlich ein großer Schritt, weil man zum Beispiel nicht mehr in alles involviert ist wie zuvor. Auf der anderen Seite glaube ich, dass es nach einer so langen Zeit ein guter Impuls ist: Die eigenen Ideen sind vielleicht zu einem gewissen Grad verbraucht und sicherlich hilft es, wenn neue Personen stimulierend aktiv werden.

Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen, ein Start-up im Consulting-Geschäft zu gründen?

Was das Gründen an sich angeht, ist es vermutlich die beste Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Im Arbeitskontext wird man vermutlich nie mehr lernen als durch eine Gründung, einerseits durch die Bandbreite an Themen, mit denen man sich beschäftigt, andererseits durch die Verantwortung, die man trägt. Zu gründen ist unglaublich intensiv, aber zugleich auch unglaublich lehrreich. Ich würde jeder Person empfehlen zu gründen, wenn sie sich in der richtigen Lebensphase befindet und über die notwendige Kapazität verfügt.

Zu gründen ist unglaublich intensiv, aber zugleich auch unglaublich lehrreich. 

Wenn man sich den Beratungsmarkt anschaut, findet man ja eigentlich einen sehr konservativen Markt vor. Das Grundprodukt im Consulting hat sich seit den Anfängen ja nicht verändert: Eine Problemstellung wird von einem Team von Experten bearbeitet, die in eine Organisation eingebracht werden. Man sieht vielleicht kleinere Ansätze der Innovation wie beispielsweise bei McKinsey Digital Solutions, wo man versucht, Dinge zu produktisieren. Aber das klassische Beratungsgeschäft, welches den größten Teil des Umsatzes ausmacht, ist noch immer unverändert. Das ist es, was wir zu verändern versucht haben – wir wollten das Consulting im Kern verändern, um dem Kunden mehr Flexibilität zu bieten. Für den Kunden ist es vermutlich in einigen Situationen ganz relevant, nur einzelne Berater für spezielle Fragestellungen oder im Rahmen von speziellen Teams zu ergänzen. Wir konnten damit den Kundenunternehmen eine neue Bandbreite aufmachen.

Im Beratungsmarkt an sich kann man sicherlich noch die eine oder andere Innovation heben, weil er in der Vergangenheit eigentlich unverändert und stabil war.

Welche Dinge würden Sie heute als Gründer nochmals anders machen?

Wir haben bestimmt viele Fehler gemacht – und das gehört beim Gründen auch dazu. Ein Teil von Innovation besteht ja darin, dass man Fehler macht. Wir haben glücklicherweise keine großen gemacht, sonst wären wir nicht da, wo wir heute sind. Rückblickend würde ich heute vor allem im Produktbereich das eine oder andere anders machen: Noch konsequenter entscheiden, was man selbst entwickelt und was man hinzukauft. Bei den Dingen, die man selbst entwickelt, würde ich noch enger mit den Kunden zusammenarbeiten, um Fehlentwicklungen zu vermeiden. Der Product-Market-Fit ist ziemlich komplex und da sollte man noch konsequenter den Kunden von Beginn an einbeziehen.

Ich denke, wir haben damals stets auf Basis des gegebenen Informations- und Kenntnisstands entschieden, aber rückblickend lässt sich heute feststellen, dass wir an der einen oder anderen Stelle hätten anders entscheiden können.

Welche Tipps würden Sie zukünftigen Gründern im Consulting-Geschäft mit auf den Weg geben?

Im Consulting hat man vielleicht die Tendenz dazu, anfänglich zu viel Respekt zu haben, weil man mit den ganz großen Namen und sehr starken Brands zu tun hat. Ich glaube, es hält viele vom Gründen im Consulting-Geschäft ab, da man meint, sich nie gegen die Großen durchsetzen zu können. Ein Wettbewerb, der mich sofort einschränkt und wegdrängt. Wir haben stattdessen die Erfahrung gesammelt, dass uns sehr viel Respekt von den Marktakteuren entgegengebracht wurde. Wir haben mit vielen Menschen am Markt gesprochen und stellten mit der Zeit fest, dass wir zu einem fest etablierten Bestandteil, einem Sparringspartner am Markt geworden sind.

Haben Sie in der Anfangsphase von COMATCH nicht auch einmal ein Nase-Rümpfen oder hochgezogene Augenbrauen erlebt?

Nein, ein konkretes Nase-Rümpfen haben wir nicht erlebt, aber sehr wohl wurde man hier und da einmal belächelt. Gemäß dem Motto: „Lass‘ die mal machen – warten wir mal ab, was daraus wird“. Über die Aufnahme in das brand eins-Ranking, über eine große mediale Abdeckung stellten diese Personen dann aber fest, dass unser Marktsegment zunehmend in der professionellen Beratungslandschaft angekommen ist. Wir wurden recht schnell von allen relevanten Akteuren als legitimes Marktsegment wahrgenommen.

„Lass‘ die mal machen – warten wir mal ab, was daraus wird“

Der Beratungsmarkt wächst ja sehr schnell, so dass die Akteure sich nicht gegenseitig die Marktanteile abnehmen müssen. Man kann es sehr wohl schaffen, die Servicelandschaft im Consulting durch neue Produkte zu erweitern, ohne dass man sich gegenseitig als Wettbewerb um Marktanteile wahrnehmen muss. Auch für die Beratungshäuser selbst ergaben sich neue Möglichkeiten, sich der Zukunft der Arbeit durch flexible Arbeitsmodelle zuzuwenden. In der Hinsicht war es eine gemeinsame Reise, ein Kennenlernen und ein kontinuierlicher Dialog miteinander.

Können Sie sich nun vorstellen, selbst wieder Unternehmensberater zu werden und an Ihre Zeit bei McKinsey anzuknüpfen? 

Aktuell mache ich mir noch keinerlei Gedanken zu weiteren Karriereambitionen. Wir sind derzeit mitten in der Integration und ich fokussiere mich mit meiner Energie stark darauf, dass diese erfolgreich vollzogen werden kann.

Grundsätzlich kann ich sagen: An Problemen zu arbeiten, hat mir damals in der Beratung und auch in den vergangenen Jahren bei COMATCH am meisten Spaß gemacht. Diese Freude am Problem Solving ist auf meiner Seite geblieben.

Nun heißt es aber zunächst einmal sicherzustellen, dass die Integration erfolgreich verläuft und dann werden wir diskutieren, wie meine Rolle in der neuen Organisation aussehen wird.

Welche Lernkurve haben Sie als Gründer vollziehen können, wo haben Sie selbst noch größere Entwicklungsschritte gemacht?

Impact ist ja die Kombination aus Konzept und Umsetzungsgrad. Bei McKinsey und vielen weiteren Managementberatungen lernt man viel konzeptionelles Arbeiten. Was ich durch die Gründung nochmals lernen konnte, war das Umsetzen. Von einem durchdachten Konzept kommend, die Dinge auf die Straße zu bringen. Motivation von Mitarbeitenden, Kommunikation und Mitnehmen von der Organisation – das waren die Punkte, die wir in den vergangenen Jahren sehr intensiv betreiben konnten.

Als Partner in der Strategieberatung hat man sicherlich den Anspruch, dass man für die Auftraggeber einen Impact generiert – dies ist aber de facto eher indirekter Impact. Wirklich direkten Einfluss kann man nur haben, wenn man selbst eine Idee verwirklicht.

Haben Sie aktuell konkrete Produktideen für Innovationen im Beratungsmarkt im Köcher?

Ehrlicherweise nein. Man sieht natürlich, dass im Markt Probleme vorliegen, für die es noch keine adäquate Lösung gibt. Das wäre sicherlich eine Hand voll an Themen, die da in Frage kommen. Ich wüsste nur nicht, welche davon am drängendsten sind. An die Produktisierung des Consultings glaube ich aber beispielsweise nicht, weil Beratung am Ende immer ein persönliches Geschäft bleiben wird, wo es die einzelne Person, den Sparrings-Partner braucht.


Bildrechte: Phil Dera und Manuel Nieberle

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