Selten waren die Zeiten so gut für die Consulting-Industrie wie heute. Dies hat spürbare Auswirkungen auf Karrierewege von Beratern, und zwar nicht die schlechtesten.

Schallmauer durchbrochen, nächster Rekord in Sicht. So lässt sich die derzeitige Situation des deutschen Beratungsmarktes in aller Kürze zusammenfassen. Soeben haben es die deutschen Unternehmensberatungen geschafft, mehr als 30 Milliarden Euro umzusetzen. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) konstatiert für das Jahr 2017 einen Umsatz in Höhe von 31,5 Milliarden Euro, was einem Wachstum um 8,5 Prozent entspricht. Und auch für das laufende Jahr planen die Berater mit einem erneuten Wachstum in ähnlicher Größenordnung – Ende 2018 könnte der Markt somit bei rund 34,1 Milliarden Euro Umsatz stehen.
Wer jemals mit dem Consulting als Karriereperspektive geliebäugelt hat, wird in diesem Wachstumssog beste Aussichten haben. Unternehmensberatungen können nur über Köpfe wachsen, weshalb Marktanalysten und Beratungsfirmen erheblich intensivere Rekrutierungsaktivitäten im Markt erwarten. Aber nicht nur Eintrittsoptionen in das Consulting werden zahlreicher: Von jeher galt, dass ein wachsender Markt notwendig ist, um Beratern das Versprechen von einem Aufstieg in Richtung Partnerschaft einlösen zu können.
Doch nicht jeder Consultant möchte die vertrieblich orientierte Rolle eines Partners einnehmen, nicht jeder möchte die Abende im Hotel verbringen und Flugmeilen sammeln. Da kommt es gut zu pass, dass nicht alleine die Unternehmensberatungen händeringend nach hochqualifiziertem Personal suchen. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Consultants sind ein wertvolles Gut, welches universell einsetzbar ist. Insbesondere im aktuellen Arbeitsmarktumfeld können Berater aus zahlreichen validen Pfaden für Ihre weitere Karriereentwicklung wählen:
Linienpositionen
Der Königsweg für Consulting-Alumni besteht auch im Jahr 2018 darin, aus der Beratung möglichst direkt in eine Führungsposition bei Finanzdienstleistungs-, Handels- oder Industrieunternehmen zu wechseln. Sofortige Verantwortung für Gewinn und Verlust einer Einheit oder für die disziplinarische Leitung eines Teams zu übernehmen, ist der Reiz, der von diesem Schritt ausstrahlt.

Ein schillerndes Beispiel für einen solchen Karriereweg ist Oliver Bäte, der McKinsey verließ, um im Januar 2008 bei der Allianz SE als Chief Operating Officer einzusteigen. Im Jahr 2015 gelang ihm dann der Sprung auf den Thron des DAX-Konzerns – er wurde CEO. Doch häufig wird Beratern unterstellt, ihre Tätigkeit als externer Dienstleister in einem Umfeld mit hochqualifizierten und hochmotivierten Kollegen würde sie in spezieller Weise sozialisieren – Sie brächten eine déformation professionnelle mit sich, die nicht notwendigerweise vorteilhaft für die Industrie sein muss. Wer exzellenter Berater war, muss nicht die beste Führungskraft auf Industrieseite werden.
Die direkten Einstiegsmöglichkeiten auf Führungsebene eines internationalen Konzerns sind daher in der Zahl überschaubar und auch gehobene Mittelständler nähern sich Beratern zunächst mit mal mehr und mal weniger respektvoller Distanz, wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht.
Führung ist zugleich kein Selbstzweck und so sollten Unternehmensberater auch in eigener Sache genau hinterfragen, ob eine angebotene Rolle in der Führungslinie per se die beste Wahl ist. Handelt es sich bei der offerierten Position um einen Schleudersitz? Lässt es die Person zum Verwalter werden, was in der Konsequenz dazu führt, dass keine Zeit dafür bleibt, sich um inhaltlich interessante Herausforderungen zu kümmern? Begibt man sich in ein unternehmenspolitisches Schlangennest, in dem der neue Kollege, der aus der Beratung kommt, ab dem ersten Tag stigmatisiert und ausgegrenzt wird?
Inhouse Consulting
Ein Einstieg über das Inhouse Consulting kann der richtige Weg sein, um die oben aufgeführten Fragen zu adressieren. Viele der firmeninternen Beratungseinheiten sind als Führungskräftenachwuchs-Pool etabliert und bieten mittelfristig den Effekt der Karrierebeschleunigung. Namhafte Inhouse Consultancies wie Volkswagen Consulting, Bayer Business Consulting oder Thyssenkrupp Management Consulting bieten externen Beratern gleich mehrere Vorzüge: die Arbeit in strategisch wichtigen Projekten, den Aufbau von Reputation in eigener Sache sowie die Entwicklung eines Netzwerks innerhalb der Organisation, das den langfristigen Erfolg im Unternehmen ermöglichen kann. Nach der typischen Durchlaufzeit von drei bis vier Jahren und zahlreichen Projekten im gesamten Unternehmenskontext können Inhouse Consultants zumeist aus verschiedenen attraktiven Optionen wählen. In dieser Situation können Sie auf Ihre eigenen, fundierten Einblicke und Einschätzungen zurückgreifen, um sich am Ende für die Alternative mit den besten Karrierechancen und den geringsten Risiken zu entscheiden.
Stabspositionen
Auch der Einstieg über eine Stabseinheit kann sehr vorteilhaft sein, wenn sich betreffender Stab mit erfolgskritischen Themen befasst und dadurch eine hohe Visibilität gegenüber dem Top-Management gegeben ist. Positionen in der Unternehmensentwicklung, der Unternehmensstrategie oder im strategischen Business Development sind typische Einfalltore für frühere Managementberater. Weil entsprechende Bereiche nur selten über systematisierte Karrieremodelle verfügen und das „Outplacement“ in eine Führungsverantwortung somit von persönlichen Karrieresponsoren und -promotoren abhängt, schwingt in diesem Bereich eine gewisse Unsicherheit über die mittel- bis langfristige Entwicklung des früheren Beraters mit. Dieser Weg erfordert somit ein aktives Karrieremanagement in eigener Sache, kann jedoch ebenso erfolgreich sein. Bekanntes Beispiel hierfür: Frank Appel war sechs Jahre bei McKinsey, stieg im Jahr 2000 in die Konzernentwicklung bei der Deutschen Post ein und wurde im Jahr 2008 schließlich CEO des Unternehmens.
Private Equity / Venture Capital
Während schon die zuvor aufgezeigten Karriereoptionen alles andere als „Abklingbecken“ für saturierte Berater waren, gilt dies umso mehr für einen Wechsel in eine PE- / VC-Gesellschaft. Wer sich für diesen Berufsweg entscheidet, verzichtet weiterhin bewusst auf Freizeit und ein ruhiges Geschäftsumfeld. Die Arbeit als Finance Director mit einem Portfolio oder mit einer einzelnen Beteiligungsgesellschaft bietet für Consulting-Alumni die Perspektive, analytische Stärken und persönliche Eigenschaften wie Resilienz in ein hochdynamisches Umfeld einzubringen und monetarisieren zu können.

Ein sehr schönes Beispiel ist in diesem Kontext Beratungsurgestein Walter Droege, der eine eigene Beratungsgesellschaft aufbaute und in den vergangenen Jahren zu einem „Family-Equity-Modell“ weiterentwickelte. Statt andere Firmen weiter darin zu beraten, effizienter oder profitabler zu werden, investierte Droege sein eigenes Geld in Firmen, die er mit seinem Team nachhaltig profitabel macht. Walter Droege zählt zwischenzeitlich laut einschlägiger Rankings zu den vermögendsten Deutschen mit einem geschätzten Privatvermögen im einstelligen Milliardenbereich.
Start-ups
Nicht wenige Berater zieht es magisch an, ein eigenes Unternehmen zu gründen oder bei einem bereits etablierten Start-up in die Verantwortung zu gehen. Die Tatsache, dass man die Klaviatur der eigenen Kompetenzen in eine Neugründung einbringen und diese mit den eigenen Händen entwickeln kann, fasziniert Consultants. Auch wenn der erste Hype der Berliner Start-up-Welt bereits bei vielen wieder verflogen ist, gibt es auch im Jahr 2018 noch interessante Geschäftsmodelle, die entwickelt, skaliert und für teures Geld an Investoren veräußert werden können. Auch das Scheitern des Geschäfts, weil beispielsweise eine Finanzierungsrunde negativ ausfällt, ist heute am deutschen Arbeitsmarkt keine Schande mehr. Zunehmend zieht die Einsicht ein, dass gescheiterte Gründer wichtige Lektionen gelernt haben und eine exzellente Verstärkung für etablierte Unternehmen sein können.
Freelance-Tätigkeit
Interessant ist die Tatsache, dass derzeit viele Online-Freelance-Plattformen entstehen, die von ehemaligen Unternehmensberatern gegründet wurden: Comatch von ehemaligen McKinsey-Beratern, Klaiton von ehemaligen Deloitte-Beratern und consultingheads unter anderem von einem ehemaligen Bain-Consultant. Allen Plattformen ist gemein, dass man mehr Markttransparenz für auftraggebende Firmen und Freelance-Berater schaffen und diese effizient zusammenführen möchte. Consultants, die bis dato bei einer Beratungsgesellschaft festangestellt tätig waren und künftig flexibler arbeiten möchten, können mit den digitalen Helfern noch einfacher in die Freiberuflichkeit finden. Das Risiko, dass der Freelancer keine ausreichende Zahl an Projekten akquirieren kann, um sich finanziell tragen zu können, soll durch die Online-Plattformen minimiert werden. Der Trend zu freiem, selbstbestimmtem Arbeiten wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren noch verstärken.
Und nun?
In der Gesamtschau der verschiedenen Karriereoptionen wird deutlich: Consultants können derzeit vieles richtig machen. Externer Berater bleiben oder interner Berater, freier Berater, Beteiligungsmanager, Gründer, Stabs- oder Fachexperte, Führungskraft werden – dies sind exemplarische Pfade und jeder einzelne für sich bietet zahlreiche Chancen. Das stabile Konjunkturumfeld in Deutschland sorgt dafür, dass die im Consulting erlernten und angewandten Kompetenzen aktuell und sicherlich auch in absehbarer Zukunft einen besonders hohen Wert besitzen. Viele Argumente dafür, noch heute eine Karriere als Unternehmensberater zu starten.
Zur Person
Daniel Nerlich war selbst als Unternehmensberater tätig und ist heute Partner einer der international führenden Gesellschaften im Executive Search, Board Consulting und Management Audit. Als Leiter des Industriesektors „Business & Professional Services sowie Technology“ in Deutschland zählen sowohl die Top-10 der internationalen Strategieberatungen, die Big-4 Wirtschaftsprüfungs- und Advisory-Gesellschaften sowie Hidden Champions zu seinen Klienten. Darüber hinaus besetzt er Führungspositionen, Stabsrollen und Positionen in der Inhouse-Beratung bei führenden Industrieunternehmen.