Sie ist bereits da. Und es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, wann sie im Markt mit noch größerer Intensität wahrgenommen und besprochen wird: Die digitale, virtuelle Unternehmensberatung.
Freelance-Consulting-Netzwerke und digitale Marktplätze, auf denen Consultants Ihre Leistungen an Kundenunternehmen verkaufen können, erobern die Beratungsarena. Soeben hat HourlyNerd, ein Start-up aus Boston, eine große zweite Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen und $ 7,8 Millionen einsammeln können.

© HourlyNerd
Der Online-Marktplatz von HourlyNerd zielt darauf ab, MBA-Studenten und -Absolventen mit ersten Erfahrungen aus der Top-Strategieberatung oder von Investmentbanken zu günstigeren Tagessätzen projektbasiert an Kunden zu vermitteln. Mit der weiteren Finanzierung im Rücken strebt man nun größere Ziele an. “HourlyNerd is becoming the global spot market for business talent”, wie Mitgründer Rob Biederman in der Pressemitteilung vom 4. Februar kommentiert.
Nicht zuletzt die klassischen Unternehmensberatungen zählen zu den Firmenkunden von HourlyNerd, die gerne auf die flexiblen Ressourcen zurückgreifen, um Kapazitätsausgleich in einzelnen Projektspitzen vornehmen zu können. Doch warum sollte dieses Freelance-Modell für den einzelnen Berater interessant sein, hat man mit dem Konzept doch immerhin auch Risiken zu tragen? Gegebenenfalls findet man kein sofortiges Anschlussprojekt. Man erhält keine Sozialleistungen wie in der Festanstellung und zahlt nicht in die Rentenversicherung ein.
Starting a family, building a company, or touring the world doesn’t need to get in the way of employment – on HourlyNerd you can live your life and work when you want to.
Pat Petitti, co-CEO, HourlyNerd
Es ist das Versprechen uneingeschränkter Freiheit bei der Auswahl des nächsten Kunden, des Zeitpunkts des nächsten Einsatzes und bei der Wahl möglichst spannender Projektinhalte. Für denjenigen, der heute bereits als Freelancer arbeitet, bieten Marktplätze wie HourlyNerd oder Skillbridge Zugang zu Kundenprojekten, ohne dabei großen Akquisitionsaufwand betreiben zu müssen. Wie es einer der Mitgründer von Skillbridge, ebenfalls ein US-amerikanischer Anbieter, in einem lesenswerten Forbes-Artikel ausdrückt: “If you are a consultant you spend 50 to 70 percent of your time hustling for work, and 25 percent of your time actually doing the work”.
Erste Anbieter aus Deutschland
Auch in Deutschland ist dieses durchaus erfolgreiche Konzept zwischenzeitlich angekommen. Um ein Beispiel aufzuführen, sei ein von ehemaligen McKinsey-Beratern gegründetes Startup genannt: Seit Oktober 2014 können sich erfahrene Managementberater auf der Freelance-Plattform COMATCH registrieren, um in Projekte mit Fokus auf Strategie, Organisation, Operations, Marketing & Sales, Finanzen und für Marktanalysen gestafft zu werden. Auch bei COMATCH werden die Vorteile an Flexibilität und Freiheit in den Vordergrund gestellt: “Du bestimmst selber, wo, wann und mit wem Du arbeiten möchtest — so bist Du z.B. in der Lage längere Auszeiten für persönliche Vorhaben zu nehmen oder mal ein Projekt von Zuhause durchzuführen”.
Einen anderen Ansatz verfolgt das Startup Newcoventure [Anmerkung CCL, 12.10.2017: Das Unternehmen hat seine Aktivitäten in der Zwischenzeit eingestellt]: Hier soll es sich nicht um einen Online-Marktplatz für Freelancer im klassischen Sinne handeln. Es soll die Unternehmensberatung “der nächsten Generation” geschaffen werden – digital, virtuell und ohne feste Office-Präsenz. Wie dies konkret umgesetzt wird, kann ab April 2015 beobachtet werden, wenn das Unternehmen die nächste Stufe der Gründung abschließen und “live” gehen wird.
Alle aufgeführten Konzepte verdeutlichen, dass es auf beiden Seiten – Berater und Kundenunternehmen – den immer stärkeren Wunsch nach mehr Flexibilität und größeren Freiheitsgraden gibt. Für Freelancer wird die Möglichkeit geschaffen, mit relativ geringem Aufwand Projekte zu gewinnen, während Kundenunternehmen deutlich flexibler und günstiger Beratungskapazitäten einkaufen können. Nicht zuletzt die klassischen Beratungsfirmen werden sicherlich die Freelance-Plattformen nutzen, um in eigener Sache Kapazitätsausgleich zu betreiben.
Diese Ansätze werden jedoch mit einem zentralen Punkt stehen und fallen: Angebot und Nachfrage sollten in akzeptablem Verhältnis zueinander stehen. Im Falle von Skillbridge fiel diese Ratio 2014 noch relativ mager aus – 3.000 Berater buhlten um 300 Projektjobs. Der große Bruder HourlyNerd verweist heute immerhin auf 10.000 Freelance-Consultants, die Projekte für rund 4.500 Firmen – darunter auch Microsoft und American Apparel – umsetzen konnten.
Eine Generation Y, die gerne mit mehr Möglichkeiten zur flexiblen Arbeits- und Zeitgestaltung ausgestattet wäre, wird sicherlich dazu beitragen, dass Freelance-Tätigkeit immer mehr zur Arbeitsform der Wahl wird. Nun müssen nur noch ausreichend Projekte angeboten werden, um diesen Markt zu bedienen.
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