Überraschende Lünendonk-Analyse: Der Consulting-Markt in Deutschland wächst immer weiter

Die soeben veröffentlichte Lünendonk-Liste 2023 „Managementberatung in Deutschland“ hält eine Überraschung bereit: Ungeachtet aller Krisen konnte der Beratungsmarkt auch im Geschäftsjahr 2022 robust wachsen. Treiber dieser Entwicklung war die starke Nachfrage nach Beratungsleistungen im Bereich Business Strategy, Cloud, Data Analytics, Digital Engineering, ESG sowie Krisenresilienz. Roland Berger bleibt mit Abstand die größte Managementberatung mit deutschen Wurzeln, nur ein Unternehmen der Top 20 schrumpfte im Vorjahresvergleich.

Am Dienstag dieser Woche wurden in Frankfurt die neuesten Erkenntnisse der Lünendonk-Studie 2023 „Managementberatung in Deutschland“ vor Pressevertretern sowie Unternehmensvertretern der Beratungsgesellschaften Accenture, Bain & Company, Detecon, Ingenics sowie zeb vorgestellt. Die 20 größten Managementberatungen mit Hauptsitz in Deutschland (Top 20) legten im Geschäftsjahr 2022 im Durchschnitt um 18,5 Prozent zu. Die führenden internationalen Consultants wuchsen mit 11,5 Prozent ebenfalls zweistellig. Bemerkenswert ist dabei, dass die Wachstumsrate im Geschäftsjahr 2022 nochmals um 1,9 Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden konnte.

Für das laufende Geschäftsjahr 2023 rechnen die Top 20 nochmals mit einem Wachstum um 12,2 Prozent, im Jahr 2024 um 11,6 Prozent und in den Jahren 2025 bis 2027 mit durchschnittlich 10,8 Prozent. Consulting ist und bleibt somit vermutlich ein robust und überdurchschnittlich wachsendes Marktumfeld.

Roland Berger bleibt Primus, viele Gewinner und ein Verlierer

Roland Berger bleibt mit einem Gesamtumsatz von 870 Mio. Euro (16,8 Prozent Umsatzwachstum) mit deutlichem Abstand zu Simon-Kucher & Partners (534,9 Mio Euro Umsatz, 20,9 Prozent Umsatzwachstum) die Nummer 1 unter den deutschen Beratungshäusern. Bei den internationalen Beratungshäusern liegt Accenture mit 32,4 Mrd. Euro an Beratungsumsätzen deutlich vor Deloitte, wo man die Schwelle von 30 Mrd. Euro knapp verfehlte. Zugleich folgt die drittplatzierte PwC (im Zusammenspiel mit Strategy&) mit 19,7 Mrd. Euro an Beratungsumsätzen deutlich hinter Deloitte.

Den stärksten Zuwachs unter den deutschen Managementberatungshäusern konnte die SKS Group, seit 2022 Teil von Accenture, mit sagenhaften 94,6 Prozent Umsatzsteigerung erzielen. Dahinter erzielten Berylls mit 51,2 Prozent und Ingenics mit 38,6 Prozent immer noch traumhafte Ergebnisse. Es lässt sich zudem festhalten, dass von den Top 20 in Deutschland vertretenen Managementberatungen allein die Staufen AG nicht wachsen konnte. Mit einem Umsatzrückgang um 5,6 Prozent positioniert sich Staufen mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 51 Mio. Euro auf Platz 19 der Liste.

Der War for Talent als kritischster Erfolgsfaktor

„Zurückblickend bestand die größte Herausforderung für die Branche in der personellen Besetzung der Projekte“, so Lünendonk-Geschäftsführer Jörg Hossenfelder. Die Anstrengungen im Recruiting führten bei den deutschen Top 20 zu einem Anstieg der Mitarbeiterzahlen um durchschnittlich
15,5 Prozent, bei den internationalen Consultants um 18,9 Prozent. Und auch bei der Frage nach den wichtigsten Erfolgsfaktoren, um auch in 5 Jahren noch ein relevanter Player am Markt zu sein, war die Top-Antwort: Qualifizierte und motivierte Mitarbeitende. Positiv wirkt sich in diesem Zusammenhang aus, dass sich die Fluktuationsrate bei den Top 20 von rund 16 Prozent im Jahr 2021 auf 12,9 Prozent im Jahr 2022 reduzierte.

Marktrepräsentanten sehen AI als Gamechanger

Im Rahmen der persönlichen Vorstellung der Studienergebnisse hatte Lünendonk auch Unternehmensrepräsentanten aus Beratungshäusern eingeladen, die stellvertretend für bestimmte Segmente im Markt gesehen werden können: Als Vertreter der größten internationalen Beratung war Marco Huwiler (Country Managing Director Schweiz) von Accenture geladen. Walter Sinn (Managing Partner Germany) von Bain & Company stand für die Top-Strategieberatungen, während Andreas Hoberg (Managing Partner bei Ingenics) sowie Josef Reuter (Head of Public & International Affairs bei zeb) fachlich bzw. branchenspezifisch spezialisierte Beratungshäuser vertraten. Ralf Pichler (CEO bei Detecon) konnte die Perspektive einer auf Digitalisierung spezialisierten Captive-Beratung einbringen – Detecon ist Teil der Telekom-Gruppe.

Josef Reuter, Marco Huwiler, Jörg Hossenfelder, Ralf Pichler sowie Andreas Hoberg (v.l.n.r.; Walter Sinn wurde per Video zugeschaltet) © Detecon

Während der Diskussionsrunde wurden zwei Themen besonders intensiv diskutiert: Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf den Beratungsmarkt sowie die Knappheit von qualifiziertem Personal.

Wir hatten noch nie so viele Themenkomplexe, bei denen man gerne die Diskussion mit Beratungen sucht.

Walter Sinn, Bain & Company

Sinn sieht dennoch ein Thema, das derzeit einen „tipping point“ erlebt: „Für uns ist, insbesondere im Zusammenhang mit unserer Partnerschaft mit OpenAI, das Thema Künstliche Intelligenz ein absoluter Hype. Hunderte von Kundendiskussionen und eine Menge Projekte“.

Auch bei Accenture ist AI als Thema identifiziert, das sich on top of mind befindet, weshalb man zuletzt ein Investitionsprogramm in Höhe von 3 Mrd. US-Dollar über drei Jahre angekündigt hat. „Es wird nicht genügend Talente am Markt geben, um alle unsere Bedarfe im Bereich generative AI decken zu können“, kommentiert Marco Huwiler die Personalstrategie in diesem Zusammenhang. Man werde daher alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das AI-Team von derzeit 40.000 Experten/innen auf 80.000 Experten/innen entwickeln zu können: Neben dem Kauf von spezialisierten Firmen setze man bei Accenture insbesondere auch auf das Training von bereits vorhandenen Mitarbeitenden, damit diese künftig im Bereich AI agieren können, so Huwiler.

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