Frank Schmidt, Vice President bei PA Solutions, zu den Hintergründen der Akquisition der Operations-Beratung BLSG

DANIEL NERLICH: Herr Schmidt, die Process Automation Solutions GmbH, ein Anbieter von Automatisierungslösungen, hat im August die Akquisition der BLSG AG bekannt gegeben. BLSG wiederum ist eine Boutique-Beratung mit Fokus auf Operational Excellence. Was ist aus Sicht der PA Solutions die Strategie hinter diesem Zukauf eines Beratungshauses?

FRANK SCHMIDT:  Wir wollen mit BLSG unsere Domain Knowledge erweitern, also das Verständnis für die Herstellungsprozesse unserer Kunden. Wir hatten zuvor erkannt, dass wir noch zu oft nach Lastenheft des Kunden automatisiert haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir den Kunden dann maßgeschneiderte Lösung und Mehrwert bieten können, wenn wir auch deren Pain Points im Prozess noch besser verstehen. Wir glauben, dass die Kombination aus Problem- und Prozessverständnis, unserer Digitalisierungsplattform, einer intelligenten Analyse und einer darauf basierten Beratungskompetenz große Vorteile für unsere Kunden bieten wird.

Hatten Sie Ihren Kunden bereits zuvor Beratungsleistungen angeboten?

In unserem MES-Team (Manufacturing Execution System) gab es bereits Experten, die sich auf Augenhöhe mit den Kunden unterhalten konnten. Aber dies war noch zu wenig strukturiert und systematisiert. Daher reifte die Erkenntnis, dass eine Stärkung unseres Profils in Richtung Beratung uns zu einem echten Lösungsanbieter werden lässt.

Werden die Kollegen von BLSG künftig ausschließlich im Rahmen Ihrer Automatisierungslösungen aktiv oder wird man nach wie vor auch eigenständige Beratungsprojekte bearbeiten?

Das ist aus meiner Sicht ganz wichtig: Wenn wir in ein oder zwei Jahren ausschließlich als Frontend für Automatisierung am Markt wahrgenommen würden, dann würden uns die Kunden auch nur noch zu diesem Zwecke anrufen. Wir wollen den Kunden wie gehabt alle Kernthemen von BLSG in der Operations-Beratung anbieten – auch losgelöst von Automatisierung. Wir werden ganz sicher bestimmte Sollbruchstellen für die Kunden anbieten: Zum Beispiel erarbeiten wir ein Konzept, das der Kunde dann auch über eine Ausschreibung mit anderen Dienstleistern ausrollen kann.

Können Sie uns einen Einblick geben, warum Sie sich für einen Kauf und gegen eine strategische Partnerschaft entschieden haben?

Das ist eine super Frage – wir haben tatsächlich über eine strategische Partnerschaft begonnen. Darüber konnten wir die eine oder andere Akquise und einige Projekte gemeinsam mit BLSG machen und uns darüber kennenlernen. Ich kannte die BLSG sogar schon aus der Kundenperspektive, was es am Ende nochmals leichter hat werden lassen. Dann kamen verschiedene Faktoren auf Interessenten- und potenzieller Verkäuferseite zusammen, dass wir letztlich entschieden haben, die bisherige Partnerschaft in Richtung einer Akquisition zu wandeln.

Welche Vorteile können Ihre Kunden erwarten, wenn sie die Beratungsleistungen über Ihre Plattform beziehen und nicht von Wettbewerbern?

Wir werden sicherlich in unserem Kern ein Automatisierungsdienstleister bleiben – hier ist und bleibt der größte Umsatzanteil. Das ist auch klar in unserer Strategie verankert. Ich glaube, wir sind prädestiniert dafür, einerseits die Prozesse zu gestalten und über die Digitalisierung die Daten herauszuholen, um damit wiederum die Prozesse zu gestalten – das ist ein in sich verstärkendes System. Und am Ende haben wir viele Ressourcen, um die entwickelten Lösungen umzusetzen. BLSG hat den eigenen Beratungsansatz mit den Worten beschrieben: „Wir setzen um!“. Aber auch BLSG hat festgestellt, dass man für komplexe Fragestellungen Partner benötigt. Ich glaube, da bieten wir als PA Solutions einen sehr schönen Werkzeugkasten, um das gesamte Spektrum mit Lösungsansätzen bespielen zu können.

Werden wir in der Zukunft weitere Akquisitionen dieser Art von PA Solutions sehen? Werden Sie das Consulting zu einem substanziellen Geschäftsbereich ausbauen?

Auch das ist eine spannende Frage. Wir wollen BLSG als Nukleus nutzen, um hier zunächst einmal organisch zu wachsen. Die Projektpotenziale sind da – das sehen wir in Kundengesprächen, das sehen wir in internen Gesprächen, in denen wir vielfältige Möglichkeiten identifiziert haben, von beiden Seiten anzuknüpfen. Ich würde aber nicht ausschließen, dass wir noch einmal zuschlagen würden, wenn wir nach einer gewissen Zeit feststellen würden, dass es noch Blind Spots und Wachstumspotenziale gibt.

Wie wird es mit BLSG weitergehen: Wird das Unternehmen „voll integriert“ und die Marke BLSG verschwinden?

Das ist ein zweigleisiger Ansatz: Administrativ werden wir BLSG integrieren, weil es einfach sinnvoll ist, die Vorteile des Konzerns zu nutzen. Auf der anderen Seite sind wir aktuell dabei zu definieren, wie wir mit dem Branding verfahren. Zuletzt haben wir ja auch die Digitalisierungsexperten von INIMCO übernommen und es stellt sich somit die Frage, ob es künftig ein gemeinsames Branding geben wird.

Sie arbeiten seit dem Ende der 1990er Jahre in der fertigenden Industrie. Wenn Sie auf die Schlagwörter „Industrie 4.0“ oder „Industrial Internet of Things“ blicken, was erwarten Sie sich selbst in den kommenden fünf Jahren für Entwicklungen?

Ich glaube, vor zwei oder drei Jahren war Industrie 4.0 eine Lösung, zu der die meisten noch kein Problem hatten. Zunehmend merken Unternehmen jedoch, dass in dem Thema ein Mehrwert steckt: Wer sich zukünftig behaupten will, muss mehr Effizienz in die Lieferketten bringen. Digitalisierung kann eine große Rolle spielen, weil man darüber Daten erfassen und in der Cloud ablegen kann, die sich dann on demand mit intelligenten Tools auswerten kann. Darüber lassen sich dann Best Practices ableiten – es gibt unheimlich viele Anwendungsfälle, bei denen Digitalisierung zur Verbesserung und Vereinfachung beitragen kann. Wo kann Beratung da künftig ins Spiel kommen? Beratung lebt von Daten – und Digitalisierung bietet eben diese. Das geht bei der Digitalisierung einer Checkliste los und kann bis zur digitalen Vernetzung von 10 Standorten und 200 Parametern weltweit gehen. Die Spielwiese ist da riesig groß. Es beginnt mit der Frage, wie man die Daten aus der Maschine bekommt, und endet mit der Frage, welcher Algorithmus Hinweise zur Verbesserung geben kann.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Schmidt.


Zur Person

Frank Schmidt ist ist verantwortlicher Vice President für die Business Unit Process Optimization und seit Juli 2020 Mitglied des Management Teams bei der Process Automation Solutions GmbH. Er blickt auf mehr als 20 Jahre in der diskreten Industrie zurück und fokussierte dabei vor allen Dingen auf die Bereiche Werksplanung, Shopfloorprozesse und Effizienzsteigerung. In seiner Karriere hatte er Produktions-, Werk- und Operations-Verantwortung bei Unternehmen aus den Sektoren Automotive, Medical Devices sowie Brennstoffzellen inne.

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