Deutschlandchef von Capgemini Invent im Interview: „Es kommt auf die richtige Mischung von Modesty und Boldness an“

Im Jahr 2018 wurde aus Capgemini Consulting und Teilen von Capgemini, die sich mit Innovation, Digitalisierung und Transformation befasst haben, die neue Einheit „Capgemini Invent“ mit weltweit insgesamt 6.000 Mitarbeitern:innen gebündelt. Mit diesem Schritt übernahm Steffen Elsaesser als CEO die Verantwortung für die Region Deutschland, Schweiz und Österreich. Daniel Nerlich, Gründer der CONSULTANT career lounge, wirft im Gespräch mit Steffen Elsaesser einen Blick auf den aktuellen Status quo – und wagt einen Blick auf das Consulting in der fernen Zukunft.


NERLICH: Herr Elsaesser, was für ein Team hat sich bei Capgemini Invent nach rund drei Jahren geformt – sind Sie zufrieden mit der Integration?

ELSAESSER: Spannend ist ja, dass es von außen wie eine Integration aussieht. Es war aber keine Integration, sondern für uns aus interner Sicht eine logische Weiterentwicklung, die damals 2018 durch die zweite, dritte Welle der Digitalisierung getrieben war. Zu Anfang hat sich jede Beratung mit den Themen digitale Transformation und Innovation beschäftigt. Man ist dann langsam warm geworden und hat festgestellt, dass dies wirklich eine Gelegenheit ist, sich als Beratung positiv für die Kunden einbringen zu können. Und dann haben sich aber auch alle die Frage gestellt, wie es denn mit dem Thema weitergehen kann – oder auch nicht. Unsere Antwort darauf war, dass es kein „Weiter so!“ geben kann. Im Gegenteil, wir haben die Art und Weise, wie wir agieren, welche Fähigkeiten wir brauchen und wie wir zusammenarbeiten wollen, auf den Prüfstand gestellt – trotz des Erfolgs, den wir zuvor schon hatten.

Dadurch ist Capgemini Invent eigentlich erst entstanden, das war kein bloßes Rebranding, sondern es ging wirklich ans Eingemachte: Wir haben ein neues Operating Model eingeführt. Wir haben gesagt, dass es sich auch in unserer Akquisitionsstrategie und auch in unserem „way of working“ widerspiegeln muss. Zum einen war es natürlich eine logische Fortsetzung unseres Weges, zum anderen kamen zu dem Zeitpunkt aber auch genau die Fähigkeiten zusammen, die der Markt nachfragte. Für uns war es plausibel, Strategie mit Technologie, kreativem Design und Daten zu verknüpfen, weil im Kontext von Digitalisierung Themen wie Innovation und Innovationsstrategie sehr stark zusammengehören. Es war das Thema, Daten nicht nur im Sinne von Analytics zu sehen, sondern dies noch ein Stück weiterzuführen – Daten in die Prozesse, in neue Geschäftsmodelle, in die Anwendung von Robotics einfließen zu lassen. Somit war es ein logischer Schluss, diese Fähigkeiten zusammenzubringen.

Dass Beratung schon immer etwas mit Kreativität zu tun hatte, ist klar, aber diese Impulse von einer Fahrenheit 212, von einer Idean oder Adaptive Lab in UK [Anmerkung: Alle waren zuvor von Capgemini akquiriert worden] zu bekommen, das war natürlich schon etwas Besonderes. Letztendlich sieht man jetzt auch im Projektportfolio, im Feedback der Kunden, dass das genau die richtige Entscheidung war.

Sie haben es gerade gesagt: In diesem Zusammenschluss war eine Innovationsagentur mit dabei, Digitalagenturen, die Strategen genauso wie die Technologen. Also ein Zusammenspiel von höchst unterschiedlichen Persönlichkeitstypen, von unterschiedlichen akademischen Prägungen, von unterschiedlichen Werten. Gab es da nicht auch Reibung, als sich dann diese höchst diversen Teams zusammengefunden haben?

Naja, entgegen Ihrer Erwartung gab es diese nicht – aber ja, das läge eigentlich nahe. Das hat sehr stark mit den Capgemini-Werten und unserer Kultur zu tun. Während andere eine harte Integration vollziehen, auf Standards drillen und zügig harmonisieren, verfolgen wir eher den Ansatz, diese neuen Bestandteile bei uns willkommen zu heißen und im Sinne eines Gesamtportfolios zu entwickeln. Wir haben bei jeder Akquisition immer auch die Freiräume gelassen, die eigene Marke, die eigene Identität zu bewahren. Und dann ist es natürlich einfacher, über die Zeit ein Miteinander zu finden. Und am Ende sind wir im People Business, da ist es auch relativ einfach, sich schnell hinter einer gemeinsamen Idee zu vereinen, wenn man einen gemeinsamen Purpose hat. Und aus meiner Sicht sind gemeinsame Kunden und gemeinsame Projekte der beste Weg bei einer Integration – besser kann man ein geplantes Modell und Miteinander nicht leben. Wie bereits gesagt, hat es sehr stark mit unserer Kultur und mit unseren Werten zu tun, die Individualismus und Entscheidungsfreiheit im Zentrum stehen haben. Wir sind mittlerweile schon sehr gut eingeschwungen, neue Firmen bei uns willkommen zu heißen und freuen uns auf viele weitere Akquisitionen.

Von außen betrachtet mag unser Portfolio wie ein Süßigkeitenladen aussehen, in dem ein buntes Angebot im Regal liegt…

Steffen Elsaesser

Mit Gründung von Capgemini Invent sind Sie in die Gesamtverantwortung für Deutschland, Schweiz und Österreich gekommen. Was sind bislang ihre persönlichen Lehren? Wie haben Sie als zentrale Führungskraft Werte vorgelebt?

Zum einen ist die Frage, wie man ein stark wachsendes Geschäft kommerziell und nachhaltig managt, und zweitens dann die Frage, wie sich das in der Kultur widerspiegelt und wie man Werte vorleben kann. Ein Schlüssel unseres Erfolges war sicherlich der Fokus auf ausgewählte Industriesegmente und Kunden. Dort wollten wir dann eine klare Ausrichtung darauf haben, dass wir bei den relevanten Themen als Vordenker wahrgenommen werden. Von außen betrachtet mag unser Portfolio wie ein Süßigkeitenladen aussehen, in dem ein buntes Angebot im Regal liegt – dem ist aber nicht so. Stattdessen steckt da ein hoher Aufwand unseres Teams dahinter, ein marktgerichtetes Portfolio mit maximal 15 Themen zu einem Lösungsangebot zu bündeln. Diese 15 Themen befinden sich an der Schnittstelle zwischen den Industrien und den Capabilities. Alles andere kann man als eine Art Hobby zulassen, es hat aber keine Relevanz, es bekommt kein Budget und keine Marketing-Aufmerksamkeit. Es ist also eine Mischung daraus, Freiheiten zuzulassen, aber koordiniert und dann auch klar gesteuert durch einen dedizierten Portfoliomanager zu agieren. Einen solchen Portfoliomanager hatten wir in dieser Form früher noch nicht.

Wie oft wird denn geprüft, ob die Themen noch die richtigen sind oder gegebenenfalls ein Austausch erfolgen soll?

Wir haben ein monatliches Reporting und ich sehe darüber sehr genau, wie viel Prozent des Umsatzes auf diese 15 Themen entfällt. Wir haben uns einen Richtwert gegeben, dass wir über 60 Prozent des Umsatzes in den Fokusthemen machen wollen. Natürlich haben wir auch rolliert und Themen ausgetauscht. Zum Beispiel haben wir drei neue Themen aufgenommen, die sich ausschließlich um das Thema Sustainability ranken. Es ist schon wichtig, dass man das Portfolio aktiv steuert und relevante Themen ergänzt. Dies ist sicherlich ein Erfolgsfaktor, der uns geholfen hat.

Capgemini hat vor einiger Zeit auch die Agentur „Purpose“ akquiriert und es wurde die Initiative „Invent for Society“ gestartet. Was für Ziele verfolgt Capgemini mit diesen sozialen, karitativen Aktivitäten?

Zunächst einmal war die Akquisition von Purpose eigentlich gar keine klassische Akquisition im Sinne eines strukturierten Prozesses, über den man bewusst nach einem Übernahmekandidaten sucht. Stattdessen hat sich das über eine erfolgreiche Zusammenarbeit in Projekten „natürlich“ ergeben und das ist für mich immer der beste Anlass für eine Akquisition. Wenn wir dann schauen, was Purpose macht: Nicht erst seit der Corona-Pandemie wissen wir, dass das Thema Kommunikation in den Medien, vor allem in den sozialen Medien, eine ganz besondere Relevanz hat. Insbesondere bewusste oder auch unbewusste Fehlinformation ist hier ein Faktor. Und da glaube ich, ist es die Verantwortung von Capgemini, einen Beitrag zu leisten, dass wichtige Themen Gehör finden – und dass vor allem auch Themen eine Stimme erhalten, die diese normalerweise nicht haben. Im Kern fokussieren sich die Kollegen darauf, soziale Projekte, die in den jeweiligen Ländern einen gesellschaftlichen Impact haben, so zu unterstützen, dass sie Mittel, Unterstützung und Aufmerksamkeit erfahren. Das ist zum einen ein Invest von Purpose selbst, aber natürlich beteiligen sich auch bekannte Philanthropen und immer mehr Unternehmen mit ihrem Beitrag an entsprechenden Projekten.

Mit der Initiative „Invent for Society“ artikuliert Capgemini Invent eine klare Verantwortung, dass wir für die Gesellschaft einen Beitrag leisten wollen. Als kommerzielle Organisation werden wir zuvorderst an dem Impact gemessen, den wir für unsere Kunden, deren Shareholder, unsere Shareholder, aber auch für die Gesellschaft insgesamt generieren. Und dafür haben wir eine Selbstverpflichtung abgegeben, circa 15 Prozent unseres globalen Umsatzes im Rahmen von Projekten machen zu wollen, die einen Impact haben im Umfeld von „Care“ mit einem Fokus auf Gesundheit, „Environment“ und hier insbesondere beim Thema Nachhaltigkeit, sowie „Trust“ mit Bezug zu den Themen Datenschutz und Kultur im Umgang mit Daten.

Gibt es bereits Leuchtturmprojekte, auf die Sie besonders stolz sind?

Ja sicher, wir sind zum Beispiel stark im Pro-bono-Projekt „Right to play“ engagiert, wo wir sagen, dass Bildung die Zukunft unserer Kinder sichert. In diesem Kontext haben wir an verschiedenen Punkten helfen können. Und von solchen Pro-bono-Projekten, bei denen wir selbst in die Tasche greifen oder durch unsere Arbeit unterstützen, gibt es zahlreiche Beispiele.

Darüber hinaus bieten wir zum Beispiel unseren Kunden in unserer normalen Projektarbeit an, dass wir den konkreten Carbon Impact der jeweiligen Projekte messen. Wir haben zusammen mit einem Start-up ein Calculator-Tool entwickelt, mit dem wir die CO2-Einsparungspotenziale im Projekt berechnen können. Ein ganz einfaches Beispiel: Wenn wir ein neues Logistikkonzept entwickeln, können wir mit diesem Tool berechnen, was der CO2-Impact ist. Oder wenn wir einen Car Configurator für einen Automobilhersteller konzipieren, können wir berechnen, wie viel CO2-Impact realisiert werden kann, wenn man dadurch eine optimierte Flottenstruktur erreicht. Ich finde die Ziele unserer Selbstverpflichtung im Übrigen auch in meiner Zielvereinbarung wieder. Also wenn ich nicht bereits aus eigener Überzeugung motiviert wäre, wäre es sicherlich allein aufgrund der persönlichen Zielerreichung eine zusätzliche Motivation. Bei uns ist das Thema mittlerweile so tief in unserer Kultur verankert, dass wir uns auch viele über die Selbstverpflichtung hinauslaufende Initiativen vorgenommen haben.

…Stichwort „Diversity“?

Exakt, viele in unserer Branche sprechen mit den Kunden über dieses Thema. Aber wenn Sie sich unsere Struktur anschauen, dann finden Sie beispielsweise in den sechs Capability Units, denen insgesamt 1000 Berater:innen zugeordnet sind, dass fünf von sechs Führungskräften weiblich sind. Vielleicht ist auch ein bisschen Glück dabei, aber dies ist schon eine klare Aussage, wenn fünf von sechs zentralen Führungskräften im Leadership-Team weiblich sind. Ganz nebenbei kann man auch sehen, dass viele dieser Teams deutlich bessere KPIs und Zufriedenheitswerte aufweisen. Darüber hinaus sehen wir in unserer Organisation, dass mehr als die Hälfte unserer Mitarbeiter:innen jünger als 40 Jahre alt sind. Ich falle bei diesem Raster zwar heraus, aber ein paar Altersweisheiten braucht es im Zweifel doch noch [lacht].

Aber im Ernst: Es ist extrem wichtig, das Thema Diversity in der Organisation über konkrete Köpfe sichtbar zu machen und auch jungen Talenten eine Plattform zu geben, indem man ihnen beispielsweise frühzeitig Teamverantwortung von über 100 Kollegen:innen anvertraut.

Noch einmal zu einem anderen Thema: Wenn wir uns jetzt auch noch die letzte große Akquisition anschauen, nämlich Altran mit über 50.000 Mitarbeitern:innen. Wie sehr verzahnt Altran als Engineering-Dienstleister mit dem, was sie als Capgemini Invent für Ihre Kunden anbieten?

Zunächst einmal ergab sich für uns ein enormer Wahrnehmungs-Push bei den Themen, für die Altran steht. Denn man kann nicht genug betonen, wie beeindruckend es ist, was Altran in seinem spezifischen Umfeld aufgebaut hat. Das ist natürlich wie immer ein Gesamtportfolio: Da sind Basisdienstleistungen dabei, die gute Qualität in den Engineering-Services beinhalten, aber natürlich auch wahre Leuchtturmprojekte, die bei den Kunden auf CxO-Ebene Relevanz haben. Denn wer Engineering versteht, und damit auch Themen wie zum Beispiel autonomes Fahren, der versteht, dass dies auch für die Zukunft der Kunden strategische Bedeutung hat.

Die sehr gute Expertise bei der Veränderung von Produkten – egal in welcher Branche – mit einem immer größeren Anteil an Software und immer weniger Blech und Plastik wird von den Altran-Kollegen:innen ebenso gut abgedeckt, wie rund um die Themen Infrastruktur, 5G und die Implikation auf die so genannten „connected products and services“. Wir hatten schon vor der Akquisition von Altran das Thema Intelligent Industry als einen wesentlichen Trend mit hoher Priorität für die Gruppe, aber auch für Capgemini Invent im Besonderen identifiziert. Und hier hat Altran mit seinen Themen sehr gut angedockt. Nun gilt es, dies gemeinsam mit den Kollegen:innen anzugehen, was keine einfache Aufgabe ist. Denn man muss natürlich berücksichtigen, dass die Art und Weise, wie Engineering-Services eingekauft werden, anders ist als der Einkauf von Managementberatung oder Technologietransformation. Dies bei Firmen im Bereich Luftfahrt und Automobil zusammenzubringen, ist im Sinne unserer Kunden hochattraktiv, da man am Ende kombinierte Dienstleistungen aus einer Hand bezieht. Aber zugleich gilt es, die Spezifika der unterschiedlichen Geschäftsmodelle zu berücksichtigen. Das ist eine spannende Aufgabe. Die Projektresultate und das Feedback der Kunden zeigen bereits jetzt, dass wir gut mit Altran zusammengekommen sind.

Ich erinnere mich an eines unserer Gespräche, das bereits zehn Jahre zurückliegt. Damals habe ich sie bereits gefragt, was aus Ihrer Sicht die Themen der Zukunft im Consulting sein werden. Und schon damals haben Sie zutreffend vorhergesagt, dass wir End-to-end-Lösungen und Generalunternehmertum sehen werden. Wenn wir heute nochmals high-level in die Zukunft schauen: Wie sieht für Capgemini Invent der strategische Blick nach vorne aus? Was antizipieren Sie bereits heute für die kommenden 5 bis 10 Jahre?

Also, das letzte Jahr hat natürlich schon spürbar am Consulting-Geschäft gerüttelt. Egal wie gut man vorausdenkt, egal was man sich für Gedanken macht, wir alle haben letztes Jahr gesehen, dass doch unerwartet ein großer Reset erfolgen kann. Wenn wir jetzt zurückschauen und uns ansehen, was das für ein Einschlag war und welche Adjustierung vollzogen wurde, dann ziehe ich insgesamt für uns ein Fazit, das, die vielen persönlichen Schicksale nicht außer Acht lassend, positiv ist. Ich denke, dass nach sechs, sieben sehr guten Jahren mal wieder ein solches Korrektiv nötig war. Natürlich wäre es kurzfristig besser gewesen, wenn es nur der normale konjunkturelle Zyklus gewesen wäre. Der große Reset war aber langfristig betrachtet wichtig, um ein paar grundsätzliche Themen zu überdenken. Das ist jetzt auch die Chance für diejenigen, die sich bereits vor Corona Gedanken gemacht haben, und da glaube ich, dass Innovation im Zentrum stehen wird.

Wir müssen für den Fortbestand des Standortes Deutschland einen Beitrag leisten.

Steffen Elsaesser

Ich weiß, dass sich derzeit einige Marktteilnehmer über Restrukturierungsprogramme freuen, aber diese sind immer nur temporär sinnvoll, weil sie eine akute Situation korrigieren. Sie schaffen aber keinen langfristigen Wert. An Innovation hingegen kommt keiner vorbei. Mein Mantra in diesem Zusammenhang ist es, dass wir für den zukünftigen Fortbestand des Standortes Deutschland einen Beitrag leisten müssen. Wenn man sich nun ansieht, wie sich der Beratungsmarkt an sich verändern wird, so glaube ich, dass wir Lösungen zunehmend vorausdenken werden. Es gilt, Lösungen so anzubieten, dass man nicht immer in die Einzelmanufaktur geht – dies hat sich aus meiner Sicht auch schon manifestiert.

Ich denke, die nächste Welle wird darin bestehen, dies in einem anderen kommerziellen Modell zu liefern. Hier denke ich an Joint Ventures wie beispielsweise unser Joint Venture XL2, das wir zusammen mit Audi gegründet haben. Solche partnerschaftlichen Ansätze, die bislang nur einem äußerst kleinen Marktsegment in der Beratung vorbehalten waren, werden mindestens für die großen Player im Markt eine valide Option darstellen. Man wird über Beteiligung an gemeinsamen Unternehmen neue kommerzielle Modelle mit einer viel stärkeren Erfolgsbeteiligung der Beratung sehen. Das wird kommen, das ist für mich eine logische Konsequenz.

Zeitgleich glaube ich, dass wir auch eine Flexibilisierung unserer Liefer- und Arbeitsmethoden sehen werden. Nicht zuletzt durch das Krisenjahr 2020 ergibt sich eine ganz andere Art, wie ich als Kunde Expertise einkaufe. Ob das jetzt so ein Angebot wie „contingent workforce“ ist, wie es andere Markteilnehmer bieten, oder auch anderes. Dies wird sich sicherlich auch in unserem Portfolio widerspiegeln. Und dies auch, weil es ein Bedarf ist, den viele Mitarbeiter:innen haben. Wir haben jetzt alle gelernt, wie Flexibilisierung in der Beratung erfolgen kann. Ich glaube schon, dass wir einen bestimmten Anteil an Mitarbeitern:innen haben werden, der weiter in diesem flexiblen Modus arbeiten möchte und der auch akzeptiert, dass man im Rahmen von ein paar Projekten unterstützen wird – es muss nicht immer die Arbeit an einem kompletten Gesamtprojekt sein. Und es wird sich auch die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Projekte anders gestalten. Früher war die Zusammenarbeit mit unseren Kunden im Sinne von „co-creation“ immer sehr physisch definiert. Das wird es zwar auch künftig wieder geben, aber in weiten Teilen nicht mehr so, wie wir es bislang kannten. Es wird neue Formate geben, die sicherlich spannend sein werden.

Wenn jetzt niemand etwas dagegen hat, werde ich Beratung im Jahr 2030 noch machen. Und ich weiß auch, warum: Weil ich so viel Spaß daran haben werde, wie heute.

Steffen Elsaesser

Denken Sie denn, dass man das Consulting des Jahres 2030 wiedererkennen würde, wenn man sich dorthin beamen könnte?

Spannende Frage, die Sie hier einem Überzeugungstäter stellen. Wenn jetzt niemand etwas dagegen hat, werde ich Beratung im Jahr 2030 noch machen. Und ich weiß auch, warum: Weil ich so viel Spaß daran haben werde, wie heute. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass es anders sein wird. Wenn wir diese Beschleunigung, die wir in einem Jahr 2020 erlebt haben, und die ganzen positiven Learnings daraus mitnehmen und das mal nach vorne projizieren, dann wird es erheblich weitergehen. Also ich glaube, dass das, was wir unter dem Label Beratung machen, anders aussehen wird. Aber gegen gute und kompetente Ratschläge ist nie etwas einzuwenden. Es wird weiterhin Beratungen und Berater geben sowie Kunden, die unseren Beitrag schätzen werden.

Und die Roboter übernehmen dann 2050 das Consulting?

Paul Hermelin, der ehemalige CEO von Capgemini, hat in seiner Abschiedsrede gesagt, dass ihm die Technologie ein paar Dinge abnehmen wird – und nun, da er in den Aufsichtsrat geht, hat er einen CEO, der ihm Dinge abnimmt. Aber ernsthaft: Ich habe nichts dagegen, wenn ich durch Intelligenz, Automatisierung und den einen oder anderen Roboter Zeit gewinne, ein gutes Buch zu lesen. Da bin ich für jede Hilfe dankbar.

Letzte Frage: Welcher Ratschlag hat ihnen in ihrer über 20-jährigen Beratungskarriere am meisten geholfen?

Ich glaube, es geht vor allem darum, authentisch zu bleiben. Wenn man etwas verspricht, muss man auch genau wissen, was man verspricht. Und dann gibt es keine Alternative dazu, dieses Versprechen auch einzuhalten. Für den einen oder anderen extrovertierten Berater, für die Verkaufskanonen klingt dies vielleicht ein bisschen langweilig, aber ich glaube schon, dass es auf die richtige Mischung unserer Werte Modesty und Boldness ankommt. Zunächst zwei, drei Mal nachdenken. Wissen, was Du versprichst. Sich wirklich Gedanken machen, ob es das ist, was das Gegenüber braucht. Dann einen guten Plan entwickeln, wie Du es einhalten kannst. Dann lieferst Du. Und ja, dann erst kannst Du auch einmal herausgehen und der Welt erzählen: „Wir sind die Größten“. Das ist mir lieber, als erst einmal die Welt zu versprechen und es dann nicht einzuhalten.

Ich weiß nicht, wie diese Bodenständigkeit heutzutage räsoniert, aber ganz ehrlich – mir hat es bei meiner Karriere geholfen. Und das wäre auch wirklich ein Rat, den ich jedem geben würde, der bei uns anfängt und Karriere machen möchte. Vielleicht geht’s manchmal mit ein bisschen Schaumschlägerei schneller, aber definitiv nicht besser und nachhaltiger.


Bildquelle: Capgemini Invent

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