Perfekter Deal – die Andersch AG und FTI Consulting

Im Juni war er erstmals öffentlich im Gespräch, im Herbst 2019 war der Deal dann letztlich perfekt: Einer der Marktführer der deutschen Restrukturierungsszene, die Andersch AG, wurde durch die internationale Großberatung FTI Consulting aufgekauft. Consultant Career Lounge konnte nun mit zwei zentralen Akteuren der Andersch AG, Tammo Andersch und Christian Säuberlich, sprechen und mit ihnen die Hintergründe dieses für viele überraschenden Deals beleuchten.

Herr Andersch, Herr Säuberlich, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Auszeichnung als „Hidden Champion 2020/21“. Sie haben dieses Ranking, wie zuletzt alle sonstigen zum Restrukturierungsmarkt in Deutschland, für sich gewinnen können. Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal schlecht geschlafen?

Tammo Andersch (TA): Die Auszeichnungen freuen uns natürlich, wir ruhen uns aber nicht darauf aus. Wir haben die letzten Jahre nur sehr wenig zurückgeblickt, sondern fast immer nach vorn. Das werden wir auch konsequent weiterhin tun.

Christian Säuberlich (CS): Die Rankings sind natürlich im Recruiting hilfreich und vor allem für unsere Mitarbeiter ein schönes Dankeschön und Anerkennung für die harte Arbeit, außerdem Motivation und Ansporn für die nächsten Jahre.

Tammo Andersch, Vorstandsvorsitzender der Andersch AG

Ende des letzten Jahres wurde Ihr Deal mit FTI Consulting vollzogen. Aus einem inhabergeführten, unabhängigen deutschen Beratungshaus wurde damit eine Geschäftseinheit einer internationalen Beratungsgesellschaft. Sind Sie nicht ein wenig wehmütig, damit Ihre unternehmerische Freiheit aufzugeben?

TA: Unternehmerische Freiheit bedeutet auch Verantwortung. In unserem Fall war es die Verantwortung zur richtigen Zeit auf die erwarteten strategischen Entwicklungen in unserem Markt zu reagieren. Und mit dem Zusammenschluss mit FTI ist das nach unserer Überzeugung in sehr guter Weise gelungen. Deswegen überwiegt bei uns die Freude deutlich.

CS: Im Übrigen: wir haben als Andersch Management weiterhin eine große unternehmerische Freiheit. Das sehen Sie schon dran, dass wir weiterhin eine Aktiengesellschaft sind, die vom bisherigen Vorstand unverändert geführt wird.

Würden Sie uns einen Einblick geben, wie umfassend im Vorfeld Ihre Kontakte mit anderen Interessenten waren?

TA: Sie haben Verständnis dafür, dass wir hier nicht ins Detail gehen werden. Nur so viel: unsere Entwicklung der letzten Jahre ist anderen namhaften Beratungshäusern nicht verborgen geblieben. Ansprachen gab es; die allermeisten davon waren für uns als Partnerschaft allerdings von vornherein, insbesondere vom kulturellen Fit her, nicht passend.

Warum war am Ende FTI Consulting der passende Partner?

TA: Für uns waren im Wesentlichen drei Punkte wichtig: erstens: unser Partner sollte an den internationalen Finanzierermärkten eine führende Position in der Restrukturierung innehaben. Zweitens: eine unternehmerische Kultur in der wir unsere Erfolgsfaktoren weitgehend erhalten können und drittens natürlich der sogenannte Personal Fit. Bei FTI ist da alles zusammengekommen: FTI ist in den USA und UK führend in der Restrukturierungsberatung. Zudem ist in den Gesprächen, die naturgemäß mehrere Monate liefen, immer klarer geworden, dass bei FTI trotz einer sehr professionellen Organisation und SEC-Börsennotierung durchaus viel Entrepreneurship vorhanden ist, welches uns mehr als ausreichend Freiheiten lässt und die weitere Chancennutzung stark fördert.

Wenn Sie es prägnant auf den Punkt bringen sollten: Warum wird sich dieser Schritt lohnen – für die Andersch AG, für Ihre Mitarbeiter und für Ihre Kunden?

Christian Säuberlich, Mitglied des Vorstands der Andersch AG

CS: Weil wir in der neuen Konstellation auch in einem stark zunehmend internationalen Finanziererumfeld – und das erwarten wir in den kommenden 5 Jahren – weiterhin die größten und komplexesten Turnaround-Projekte durchführen können. Für unsere Mitarbeiter bedeutet das weiterhin spannende und zunehmend internationale Projekte sowie Karriereperspektiven und für unsere Kunden können wir bei Bedarf nun noch besser auf weltweit agierende lokale Teams und Expertise zurückgreifen.

Wieso war das Jahr 2019 der richtige Zeitpunkt für diesen großen Schritt?

TA: Weil wir als Andersch AG diesen durchaus mutigen Schritt „vor der Zeit“ und aus einer ausgewiesenen Position der Stärke heraus machen konnten. Als marktführende Restrukturierungsberater haben wir auch in 2019 wiederholt ein deutliches und profitables Wachstum verzeichnet. Wir mussten diesen Schritt daher nicht in 2019 machen.

Sie haben seit Ihrer Gründung im Jahr 2012 eine glanzvolle Unternehmensentwicklung vollzogen und einen Marktführer in der deutschen Restrukturierungsszene aufgebaut. Wie haben Sie es geschafft, in einem konjunkturell stabilen Wirtschaftsumfeld mit Leistungen rapide zu wachsen, die eher auf rezessive Zyklen ausgelegt sind?

TA: Hier ist zunächst sehr wichtig zu betonen, dass Wachstum nie unser Ziel war und ist. Die kontinuierliche Entwicklung des Teams ist das Ergebnis der Qualität unserer Arbeit. Es ist richtig, dass die letzten sieben Jahre für die Restrukturierungsberatung keine Boom-Jahre waren. Andere Häuser haben nach unserer Beobachtung eher Kapazitäten aus dem Markt genommen bzw. diese nicht weiterentwickelt. Wir haben uns konsequent auf uns selbst konzentriert.

CS: Auch beim Aufbau des Teams haben wir die Qualität der Mitarbeiter an erste Stelle gestellt. Wir hätten durchaus noch schneller wachsen können, wollten dies aber nicht. Mit steigender Bekanntheit ist natürlich auch unser Employer Branding stärker geworden, so dass wir immer mehr als genug exzellente Bewerber hatten. Man muss die Mitarbeiter aber auch integrieren und deswegen haben wir unser Team sehr kontrolliert und ohne Kompromisse aufgebaut. Und das handverlesen, ich habe seit 2012 mit jedem einzelnen unserer Mitarbeiter das Endgespräch geführt.

Wir hätten durchaus noch schneller wachsen können, wollten dies aber nicht.

Christian Säuberlich

Wenn Sie die Jahre 2012 und 2019 miteinander vergleichen, welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede sehen Sie auf emotionaler Ebene?

CS: 2012 war natürlich mit einer höheren Unsicherheit verbunden. Ich persönlich habe meinen Partnervertrag bei einer Big-4-Gesellschaft liegen lassen, um mich Andersch anzuschließen. Ich kannte zwar meine Kollegen und mir war klar, dass wir mit einer sehr guten Truppe starten; trotzdem war es ein klassisches Start-up. Das ist heute natürlich komplett anders. Ähnlich zu 2012 ist allerdings die Fülle der Möglichkeiten die vor uns liegt. Das macht es weiterhin spannend.

Wie geht es nun mit Ihnen persönlich weiter – werden Sie Andersch auch in der neuen Konstellation langfristig erhalten bleiben?

TA: Klares ja. Die gesamte Partnerschaft wird die kommenden Jahre weiterhin uneingeschränkt erhalten bleiben. Und bevor Sie fragen: auch ich persönlich.

CS: Auf jeden Fall. Wir haben vorhin über den konjunkturellen Ausblick gesprochen. Wir haben noch viel vor. Nun geht es erst richtig los.

Und welche strategischen Themen werden Sie unternehmensintern in den kommenden Wochen und Monaten angehen?

TA: Wir werden auch weiterhin konsequent an der Verbesserung unserer Beratungsqualität arbeiten. Zusätzlich bereiten wir die eine und andere strategische Offensive vor, die ich aber an dieser Stelle im Detail nicht weiter ausführen möchte.

Wie sehen Ihre Pläne für das weitere Wachstum und das Recruiting aus? Was zeichnet den Typus Mensch aus, den Sie für Andersch suchen?

CS: Die Zeichen stehen weiterhin auf kontrolliertes Wachstum – aber wie vorhin ausgeführt: Qualität geht – ohne Kompromisse – vor Geschwindigkeit. Im Kerngeschäft Restrukturierung und Performance-Steigerung suchen wir weiterhin exzellente Berufseinsteiger und natürlich auch erfahrende Berater. Zudem werden wir unser Team der Andersch Digital in Berlin weiter gezielt verstärken. Auf allen Positionen suchen wir Kandidatinnen und Kandidaten mit einer hohen eigenen, intrinsischen Motivation. Keine Lebenslauf-Optimierer, sondern Teamplayer, denn Restrukturierung ist am Ende Teamsport.

Herzlichen Dank für das offene Gespräch und weiterhin viel Erfolg.


Bildrechte: Andersch AG.