Unternehmensberatung – Sprungbrett, Brandbeschleuniger, Karriereprisma

Unternehmensberatungen haben in der digitalen Transformation ein Blockbuster-Thema gefunden, was wiederum Chancen für die Karriereentwicklung der Consultants bietet. Wer sich für die Karriere im Consulting entscheidet, dem stehen heute und morgen alle Türen offen. Eine Standortbestimmung.

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Daniel Nerlich, Herausgeber

Themen wie Digitalisierung, Cloud oder Data Analytics sind ein Glücksfall für den Unternehmensberatungsmarkt, treiben sie doch den Umsatz der Firmen nach einer Phase stagnierender Wachstumsraten deutlich voran. In diesem Umfeld entwickeln sich Beratungen zunehmend von ihrem Kern, der reinen Beratungsleistung, in neue Segmente hinein, um sich vom Wettbewerb und von den internen Kompetenzen des Kunden abzuheben. Eine Online-Plattform zur Optimierung der Containernutzung in der Seefracht – entwickelt von der Boston Consulting Group? Ein Interiordesign für das Automobil der Zukunft – entwickelt von McKinsey? Vor zehn Jahren wäre dies noch undenkbar gewesen. Neben dem so genannten „asset-based consulting“ kaufen die großen Beratungshäuser rege im Feld der Kreativ- und Designagenturen hinzu und bauen „Garagen“ oder „Innovation Labs“ auf. Zur Veranschaulichung: Accenture, IBM, PwC und Deloitte zählen laut Analyse des Ad Age Datacenter mittlerweile zu den zehn weltweit führenden Digitalagenturen. Joint Ventures und strategische Kooperationen eröffnen darüber hinaus neue Geschäftsfelder. Die so entstehenden Lösungsansätze sind Differenzierungsfaktoren und zum Teil Alleinstellungsmerkmale in einem Markt, in dem Tagessätze sehr kritisch hinterfragt werden.

Was bedeutet dies für den einzelnen Berater? Um es prägnant zusammenzufassen: Während bereits die Beratungsgesellschaften vollauf zufrieden sein können, gilt dies umso mehr für die handelnden Personen. Zwei von drei Beratern sehen in der Studie „Consulting-Monitor 2017“ der Executive-Search-Gesellschaft Odgers Berndtson derzeit positive Konsequenzen für ihre Karriere, die sich aus den beschriebenen Veränderungen im Beratungsmarkt ergeben. Dies ist der höchste Zustimmungswert seit erstem Erscheinen der Studie im Jahr 2014. Im Vergleich zu den Vorjahren stieg die positive Einschätzung um knapp 20 Prozentpunkte.

Jobs in der Beratung auch langfristig attraktiv

Die gute Stimmungslage ist vor allem getrieben durch die Vielfalt an Optionen, aus denen die Berater für ihren weiteren Karriereweg wählen können. Der bevorzugte Karriereschritt bleibt für weite Teile der Consultants die klassische Entwicklung von der Beratung in eine interne Position innerhalb eines Industrie- oder Handelsunternehmens. Qualifikationen und Kompetenzen, die sich Berater in den derzeitigen Transformationsprojekten aneignen, sind auf Kundenseite stark gefragt und werden dementsprechend attraktiv vergütet. Industrieunternehmen machen den Unternehmensberatern in einigen Themenfeldern bereits direkte Konkurrenz, was die Höhe der Gehälter betrifft – und dies bei geringerer Arbeitslast und weniger Reiseaufkommen der Mitarbeiter.

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Consultants können derzeit komplexe Veränderungsinitiativen begleiten und ihren Erfahrungsschatz signifikant ausbauen.

Gleichzeitig ist festzustellen, dass viele Berater dem Consulting derzeit umso treuer bleiben, da sie hier aktuell ganz besonders komplexe Veränderungsinitiativen begleiten und ihren Erfahrungsschatz signifikant ausbauen können. Ehemalige Berater, die den Weg in die interne Industrieposition bereits gefunden hatten und nun wieder in das Consulting zurückfinden, sind keine Einzelfälle. Zu verlockend ist es, Transformationen nicht nur in einem einzelnen, sondern in vielen Unternehmen begleiten zu können.

Ein weiteres Phänomen, das sich im aktuellen Marktumfeld beobachten lässt, ist die gesteigerte Spin-off-Aktivität. Die Beraterkonjunktur schafft ideale Voraussetzungen dafür, dass sich unternehmerische Persönlichkeiten mit ihrer eigenen Beratungsboutique selbstständig machen. Häufig handelt es sich um erfahrene Einzelpersonen oder Gründungsteams, die bereits über exzellent etablierte Kundenbeziehungen verfügen und diese erfolgreich in ihre eigene Unternehmung überführen können. Nachdem es lange Zeit ausschließlich den Trend zur Konsolidierung gab und die internationalen Großberatungen kleine, inhabergeführte Beratungshäuser aufkauften, bieten die nun entstehenden Boutiqueberatungen für unternehmerische Persönlichkeiten einen attraktiven Karrierepfad an.

Freiberufliches Arbeiten gewinnt an Bedeutung

Nicht zu unterschätzen ist die Entwicklung zum Freelancing: Freiberuflichkeit innerhalb des Beratungsumfelds war schon immer eine berufliche Option. Bisher verfolgten diese jedoch nur „Silberrücken“, die bereits jahrzehntelange Erfahrungen und Kundenbeziehungen aufbauen konnten und sich im Herbst ihrer Karriere nochmals freier entfalten wollten. Online-Portale wie Comatch, Klaiton oder consultingheads treten derzeit den Beweis dafür an, dass auch Berater mit weniger Berufserfahrung in der Lage sind, sich als Freelancer zu betätigen, ohne größere Sorge vor dem ausbleibenden Erfolg bei der Folgeprojektakquise haben zu müssen. Die Portale versprechen für Kunden und Freelancer eine höhere Transparenz und bringen Angebot und Nachfrage bequem zueinander. Dass in der Flexibilisierung der Arbeit im Consulting ein substanzieller Zukunftsmarkt liegt, zeigt das Beispiel IBM, wo man bereits im Jahr 2012 das „Liquid Challenge Program“ aus der Taufe hob. Ziel war es, ein „Crowdsourcing“ zu etablieren, indem feste Arbeitsplätze drastisch reduziert und durch interne Freelancer mit dem jeweils akuellsten Wissensstand und dem günstigsten Preisgebot ersetzt werden. In einer PwC-Studie zur Arbeitswelt des Jahres 2030 gehen 60 Prozent der gut 10.000 Befragten davon aus, dass nur noch wenige Berufstätige in einem festen, langfristigen Arbeitsverhältnis stehen werden.

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Häufig reisen, viele Stunden arbeiten, Dienstleister sein – es lohnt sich.

Karrierebeschleuniger benötigt Hochleistungsmotoren

Schließlich stehen Beratern mit dem Private-Equity-Umfeld, dem Ausgründen eines Start-ups jenseits des Consultings oder der Tätigkeit in einem Unternehmensinkubator viele weitere valide Optionen für eine attraktive Karriereentwicklung zur Wahl. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Consulting derzeit und in näherer Zukunft als „Karriereprisma“ wirkt. Es bündelt Kompetenzen und Qualifikationen und bricht diese in zahlreiche, inhaltlich vielfältige Karriereoptionen auf. Nun gilt es aus Sicht der Beratungsunternehmen nur noch, diesen Mehrwert bei exzellenten Absolventen so zu positionieren, dass sich diese schließlich auf das Leben aus dem Koffer und arbeitsreiche Abende einlassen.


Zur Person

Daniel Nerlich war selbst als Unternehmensberater tätig und ist heute Partner einer der international führenden Gesellschaften im Executive Search, Board Consulting und Management Audit. Als Leiter des Industriesektors „Business & Professional Services sowie Technology“ in Deutschland zählen sowohl die Top-10 der internationalen Strategieberatungen, die Big-4 Wirtschaftsprüfungs- und Advisory-Gesellschaften sowie Hidden Champions zu seinen Klienten. Darüber hinaus besetzt er Führungspositionen, Stabsrollen und Positionen in der Inhouse-Beratung bei führenden Industrieunternehmen.