Strategieberatung und Implementierungskompetenz – kann das funktionieren?

Die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entwickeln sich immer stärker in Richtung Advisory, also in das Feld der klassischen Unternehmensberatung. Dieser Markttrend ist nicht neu, sondern ist durch die zahlreichen Akquisitionen der vergangenen Monate und Jahre medienwirksam belegt worden. Die vielen Zeitungsartikel und Online-Beiträge schärfen bei potenziellen Auftraggebern und im Bewerbermarkt ein neues Profil: Neben Audit-, Tax- und Legal-Services bieten die Big Four offenbar auch kompetente Unterstützung zu strategischen Fragestellungen und bei der Umsetzung dieser. Ziel ist es, den großen Managementberatungen in ihrem angestammten Feld Marktanteile zu stehlen.

So weit, so bekannt. Doch was unternehmen auf der anderen Seite die Strategieberatungen, um sich in Anbetracht stagnierender Wachstumsraten vom weitaus größeren Kuchen – der umsetzungsorientierten Implementierungsberatung – ein gehöriges Stück zu sichern?

Dass eine Öffnung in Richtung execution notwendig und richtig ist, haben Firmen wie beispielsweise McKinsey und BCG bereits gezeigt. McKinsey eröffnete im Sommer 2011 das McKinsey Capability Center, das den Mitarbeitern von Kundenunternehmen in möglichst realistischen Settings beibringen soll, wie sich nachhaltige Leistungssteigerungen in ihren Unternehmen erreichen lassen. Mit Hilfe von Joint Ventures wendet sich der Marktführer außerdem spezifischen Fragestellungen zu: So ist „NM Incite“ eine Zusammenarbeit zwischen McKinsey und dem Marktforscher Nielsen, um Klienten mit Impulsen für Innovationen, Produktentwicklungen oder für das Recruiting zu versorgen, indem man beispielsweise soziale Netzwerke analysiert. Das Joint Venture mit Lufthansa Technik – lumics – bietet seit September 2013 Services rund um die Optimierung von operativen Wartungs-, Reparatur- sowie Überholungsprozessen an und expandiert seit der Gründung stark. Die Boston Consulting Group, um ein abschließendes Beispiel anzuführen, berät seit Anfang 2014 mit der Tochtergesellschaft BCG Digital Ventures nicht nur Start-up-Unternehmen in der Inkubationsphase, sondern finanziert diese auch und übernimmt somit eigene unternehmerische Verantwortung. Eines der Ziele hinter diesem Konstrukt ist es, weltweit strategische Allianzen mit internationalen Konzernen zu knüpfen und für diese Unternehmen Start-ups aufzubauen – ein cleverer Schachzug.

Joint Ventures agieren unter einer separaten Marke, ein Trainingscenter wie das Capability Center erbringt keine Beratungsleistungen im klassischen Sinne. Die Gefahr negativer Spill-over-Effekte ist in diesem Zusammenhang relativ gering. Es ist kaum zu erwarten, dass zum Beispiel ein Kunde ernsthaft niedrigere Tagessätze von McKinsey-Strategieberatern verlangt, weil Beratungsleistungen von lumics deutlich günstiger zu haben sind.

Doch wie steht es um umsetzungsorientierte Beratungsleistungen, die von der Hauptmarke selbst, also McKinsey, BCG, Bain und Co., angeboten und verkauft werden? Relativ wenig beachtet ist beispielsweise die Einheit McKinsey Implementation, die in Europa Teil der Operations-Practice ist. Dieses Team von weltweit 180 Mitarbeitern arbeitet kollaborativ-partnerschaftlich mit dem Kunden zusammen und unterstützt diesen dabei, die strategischen Konzepte im Kontext von Implementierungsprojekten mit längerer Laufzeit auch tatsächlich in die Realität umzusetzen. Bereits heute gibt es 12 so genannte „Implementation Hubs“ weltweit, die bisher 50 Implementierungsprojekte umsetzen konnten. Weitaus interessanter als das ist jedoch die Tatsache, dass McKinsey das Ziel verfolgt, diese Einheit bis 2016 auf 750 bis 800 Mitarbeiter auszubauen.

Mit dem Blick auf die Zukunft des gesamten Beratungsmarktes lassen diese Entwicklungen eines sehr deutlich werden: Wenn sich die einzelnen Akteure – die Big Four ebenso wie internationale Unternehmensberatungen – immer weiter annähern und durch Innovation ihr traditionelles Serviceangebot diversifizieren, wird sich auch der Blick der Kunden auf sie signifikant verändern. Der Beratungsmarkt als solches steht somit in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vor massiven Veränderungen. „Warum sollte ich von Bain & Company zu KPMG wechseln?“ oder „Komme ich als BearingPoint-Berater überhaupt für BCG in Betracht?“ – Karriereschritte, die im bisherigen Marktumfeld für viele undenkbar waren und nicht der üblichen Norm entsprachen, werden schon heute immer mehr zur Realität. Für den einzelnen Berater und die einzelne Beraterin bieten sich in der Zukunft zahlreichere und gänzlich neuartige Optionen für die individuelle Karriereentwicklung.

2 Thoughts

  1. Ein aktueller Nachtrag zu der im Beitrag angesprochenen BCG Digital Ventures: Die WirtschaftsWoche meldete am Samstag, den 30.08.2014 exklusiv, dass BCG bis Ende 2015 einen zweistelligen Millionenbetrag in den massiven Ausbau der Digital-Tochter investiert. Alleine in Berlin sollen im Rahmen dieser Investitionsphase mindestens 30 Mitarbeiter tätig sein – dies werden allerdings überwiegend keine klassischen Berater, sondern Produktmanager, Designer, Systemarchitekten oder Entwickler sein.

    http://www.wiwo.de/unternehmen/dienstleister/neuer-geschaeftsbereich-boston-consulting-investiert-in-digitales-geschaeftsmodell/10627642.html

  2. Vielen Dank für Ihren interessanten Blogartikel! Es ist wirklich interessant, wenn man sieht, dass beispielsweise in der Strategieberatung die Big Four auf der einen Seite immer näher aneinander rücken (was Konzepte und Angebote angeht), auf der anderen Seite aber ihr Spektrum weiter diversifizieren! Ich denke, dass es besonders für den „kleinen Mann/Frau“, der in einer kleineren Unternehmensberatung arbeitet in Zukunft schwierig werden könnte, da die grossen Unternehmensberatungen durch Nichendienstleistungen auch für KMUs immer attraktiver werden. Mal schauen, was die Zukunft so bringt!

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